Des Kaises neue Kleider - © llustration: Wikipedia / Hans Tegner (Public Domain)

Des Prinzen neue Kleider

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Kanadas Lichtgestalt Justin Trudeau könnte im Sumpf der Korruption versinken. Ein Beispiel für die notorische Abhängigkeit der Politik von Big Money und wertlose Wertekodizes in der Wirtschaft.

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Kanadas Lichtgestalt Justin Trudeau könnte im Sumpf der Korruption versinken. Ein Beispiel für die notorische Abhängigkeit der Politik von Big Money und wertlose Wertekodizes in der Wirtschaft.

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Korruption ist eine klebrige Subs tanz, die an Karrieren und Menschen haftet, wie sonst nur das Pech an der Pechmarie. Und jene, die gemeinhin als Vorbilder und Stars gelten, in deren schönes Kleid webt sich der Geruch des Skandal gleich doppelt intensiv ein. Justin Trudeau, Kanadas Premierminister, war lange so ein Vorbild, aber nun spricht vieles dafür, dass seine Karriere gerade an der Korruption, die man ihm nun nachsagt, ersticken wird. Das Frappierende an der Angelegenheit ist, dass selbst eingefleischte Fans des kanadischen Premiers zugeben müssen, es sei nicht ganz ungerecht, dass ihr Idol gerade aus dem Sternenhimmel trudelt. Denn der sonst so eloquente Mann bleibt dieser Tage viele Antworten auf einfache Fragen schuldig. So sehr, dass sich sogar die OECD als oberster "Watchdog" gegen Korruption in den Industriestaaten, offiziell Sorgen macht. Montag gab die Organisation bekannt, die Angelegenheit Trudeau mit "höchster Aufmerksamkeit" zu verfolgen.

Dabei war eigentlich wenig passiert, was zu früheren Zeiten Aufsehen erregt hätte. Ein "Freund", das Ingenieurs-und Baugroßunternehmen SNC-Lavalin, hatte den Premier um einen Gefallen gebeten, scheinbar nichts Unanständiges. Eine Art Diversion sollte stattfinden, statt einer Strafe wegen zahlreicher Bestechungs-und Schmiergeldaffären. SNC-Lavalin war bereit, vergangene Missetaten wieder gut zu machen und dabei jede gewünschte Pönale zu zahlen, nur um nicht vom heimischen Markt gesperrt zu werden und Tausende Mitarbeiter kündigen zu müssen. Solche Schonungen "im öffentlichen Interesse" sind sehr gebräuchlich. Man denke nur an Deutschlands Umgang mit den Betrügereien der Autoindustrie. Aber in Kanada gab es nicht wie etwa in Deutschland einen Justizminister, der sich alles gefallen lässt. Es gab also keine kanadische "Lex Lavalin", wie es in Deutschland eine "Lex Diesel" gab.

Druck und Standhaftigkeit

Trudeaus Mitarbeiter verhielten sich in diesem Sinne ganz europäisch und halfen SNC-Lavalin so, wie man das auch aus europäischen Kabinetten kennt. Sie riefen die Verfahrens-Zuständigen an, machten Druck und verwendeten sich für den Konzern bei der Justizministerin aus der gleichen Partei. In europäischen Umständen hätte also wenig Gefahr bestanden, dass die Intervention auffliegt.

Trudeaus Kabinett aber sekkierten die standhafte Ministerin Jodi Wilson Raybould, die gleichzeitig Oberste Staatsanwältin ist, lange erfolglos. Sie ließen sie schließlich degradieren und trieben sie damit praktisch aus dem Amt. Und nun entwickelt sich das Drama zum Trauerspiel, denn der erste Minister Trudeau verweigert die Antwort auf jede konkrete Frage zur Affäre und seine eigene Rolle dabei. Er betont immer nur, dass es ihm um Arbeitsplätze für die Kanadier gehe. Was wiederum eine kuriose Antwort ist, wenn die Frage zu Korruption und Druck auf Ermittlungen und Anlassgesetzgebung lautet.

Wenn Trudeaus Ausflüchte etwas zeigen können, dann ein allgemeines scheinbar untergeordnetes Problem, unter denen öffentliche Auftraggeber überall leiden: dass bei großen öffentlichen Ausschreibungen beinahe ausschließlich große Unternehmen zum Zug kommen und daher mit Steuergeld gefüttert werden. Dadurch verzerren Staaten den Wettbewerb, nicht nur indirekt den Abstand zwischen großen und mittleren Unternehmen. Er sorgt außerdem dafür, dass Großkonzerne sich beständig aufgefordert sehen, in der Politik zu lobbyieren und ihre Interessen im Sinne der Milliarden, die da locken, durchzusetzen. Das passiert, wo immer sich die Gelegenheit dazu ergibt.

Prostitution und Schmiergeld

SNC-Lavalin, das Trudeau derzeit so große Sorgen bereitet, ist beispielhaft für viele andere Fälle. Beim Lobbyieren in Regierungskanzleien entsteht eine Grauzone, die sich oft zu einer dunkelschwarzen Masse entwickelt. Lavalin, ein Konzern, mit etwas mehr als 50.000 Mitarbeitern weltweit, hatte bis 2012 eine bittere Tradition darin.

In Libyen wurde dem Regime von Muamar al-Gaddafi und seinem Clan 116 Millionen Dollar Schmiergeld bezahlt. Die Gefälligkeiten betrafen alle Bereiche. Einen Sohn von Gaddafi bewirtete Lavalin mit Prostituierten und berappte dafür 30.000 Dollar. Tatsächlich fruchtete die Geschäftspolitik, denn der Konzern durfte neben einem Flughafen und Wasserleitungen auch ein Gefängnis für das Regime Gaddafi errichten.

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