Wie Shakespeare und Grillparzer gehört der große norwegisdie Tragiker und Wahrheitsucher Henrik Ibsen, der am 23. Mai 1906 starb, und den sein Volk wie einen König zu Grabe trug, der ganzen abendländischen Welt, auch uns Österreichern. In Wien hat man sich vielleicht nie einer so betonten Ibsenverehrung hingegeben wie etwa in Berlin, aber innerlich hat sich der nordische Dramatiker seit der Jahrhundertwende die Herzen unserer Besten erobert. Es ist kein Zufall, daß einer der führenden philosophischen Kritiker des Dramas im Vorkriegs-Wien, Emil Reich, der leidenschaftliche Künder
Wenn das Volk in glücklichen Tagen dahinlebt. Von der Erde sich nährend, die weit und breit sich auftut. Und die erwünschten Gaben In Jahren und Monden erneuert. Da geht alles von selbst und jeder ist sich der Klügste.Aber zerrüttet die Not die gewöhnlichen Wege des Lebens, Reißt das Gebäude nieder und wühlet Garten und Saat um. Treibt den Mann und das Weib vom traulichen Raum der Wohnung, Schleppt in die Irre sie fort durch ängstliche Tage und Nächte, Ach, da sieht man sich um, wer wohl der verständigste Mann sei. Und er redet nicht mehr die warnenden Worte vergebenslGoethe:
Vor wenigen Wochen erfuhr die katholische Welt durch eine Erklärung der Heiligen Kongregation der orientali-chen Kirche, daß für die griechisch-unierte Kirche in Ost-galizien, der heutigen Westukraine, eine neue Zeit der Prüfung hereingebrochen ist. In seiner Antwort auf eine Mitteilung des Moskauer Rundfunks, daß die Kirche der westlichen Ukraine beschlossen habe, sich vom Vatikan loszusagen und sich der russisch-orthodoxen Kirche anzuschließen,wies der Vatikan in der oben erwähnten Erklärung der orientalischen Kongregation darauf hin, daß vor einiger Zeit die katholischen Bischöfe
Wir stehen am Ende eines zweiten Dreißigjährigen Krieges. Seit dem Jahre 1914 sind immer neue Sturmfluten über die europäischen Völker dahingebraust und alle Völker, die Sieger nicht weniger als die Besiegten, haben unermeßliche Opfer an Gut und Blut bringen müssen. Wie konnte es zu dieser Selbstzerfleischung des altehrwürdigen Abendlandes kommen, die zu einem gewaltigen Totentanz sich zu steigern droht, wenn nach dem letzten Weltkriege die Völker nicht endlich lernen sollten, Gerechtigkeit und Menschlichkeit als die Maßstäbe und Leitideen ihres Handelns zu achten? Wieso konnten
Wien und seine Universität können auf eine glanzvolle slawistische Tradition zurückblicken. Die österreichische Schule der Slawistik, die Wien Jahrzehnte hindurch zum Mittelpunkt der slawistischen Forschung in Europa machte, hat, wie einer der besten Vertreter dieses Wissenszweiges einmal treffend feststellte, durch drei Generationen die slawische Philologie mächtig beeinflußt, die Sprach- und Kulturwissenschaft überhaupt stark gefördert und ihre Aufgabe glänzend erfüllt. Es ist das große Dreigestirn der Slowenen Kopitar und Miklosich und des Kroaten Jagic, das die Wiener
Direktor Raoul Ä s 1 a n hat nicht allein das große Verdienst, die Leitung des Burgtheaters in dessen schwerster Stunde übernommen zu haben; wenn nicht alle Zeichen trügen, wird es dem großen Künstler auch gelingen, der ersten Bühne des deutschen Sprachgebietes und der vornehmsten Schwester der Comedie fran-9 a i s e einen Spielplan zu geben, der sie als das zeigen wird, was sie nach den Anschauungen des größten Direktors, den das Burgtheater bisher gehabt hat, Heinrich Laubes, sein soll: die Pflegestätte der dramatischen Weltliteratur, deren Aufgabe eine abendländische, alle
Die letzten Wochen des vergangenen Jahres brachten Wien zwei große Theaterereignisse: In der Josefstadt des jung verstorbenen ödön von Horvath „Jüngsten Tag“ und im Burgtheater Lessings „Nathan den Weisen“. Darf die Aufführung in der Josefstadt ein wahrhaft einmaliges Beispiel von Ensemblekunst genannt werden, so bot andererseits Raoul A s 1 a n als Nathan eine schauspielerische Leistung von solcher Ausgewogenheit und Reife, daß man sich nur schwer eine Höherentwicklung dieses großen Menschendarstellers denken kann. Zum erstenmal nach langer Zeit konnte man in einer
Joseph de Maistre hat von der französischen Revolution gemeint, sie sei kein Ereignis, sondern eine Epoche. Jedenfalls hat sie Frankreich und .mittelbar ganz Europa bis in die Grundfesten erschüttert und für viele Jahrzehnte in Bewegung geraten lassen. In Österreich, dem Lande der siegreichen Gegenbewegungen (Gegenreformation und Restauration), hat Joseph II. als Revolutionär von oben im Banne der rationalistischen Ideenwelt des 18. Jahrhunderts die große Staatsumwälzung durchgeführt und die revolutionäre Epoche eingeleitet, und darin liegt seine weltgeschichtliche Bedeutung. Sein
Der Wiener Kongreß, der vom September 1814 bis zum Juni 1815 die Kaiserstadt Wien zum Mittelpunkt der Welt werden ließ, und die Staatsmänner, die auf ihm in langwierigen Verhandlungen Europa eine dauernde Form zu geben versuchten, haben oft ein schlechtes Zeugnis erhalten. Besonders von deutscher Seite ist das Werk des Wiener Kongresses im Laufe der Zeiten immer wieder angegriffen worden, da es dem deutschen Volke nicht die politische Einheit gebracht hatte. Es sei nur an das harte Urteil Treitschkes erinnert, dem besonders Metternich als ein Dämon der Leichtfertigkeit erschien. Daß
Die österreichische Dichtung war stets durch eine ursprüngliche, selbstverständliche, man möchte sagen naive Einstellung zur Gegebenheit der sozialen Verwurzelung des Einzelmenschen gekennzeichnet. Selbst den größten Individualisten und Ästheten der österreichischen Literatur von Grillparzer bis Rilke, von den Menschen der vorklassischen Epochen ganz abgesehen, war die soziale Bedingtheit des Einzelmenschen, die Bejahung der Pflichten des Menschen gegenüber den sozialen Gemeinschaften kein Problem. Der Übermensch ist dem Österreicher ebenso eine unsympatische, lebensferne