Am vergangenen Montag abend, den 5. September, waren die Hörer des österreichischen Rundfunks (II. Programm) Ohrenzeugen einer höchst turbulenten Opernübertragung. Hier der Premierenbericht unseres Berliner Korrespondenten:Sicherlich war der Gedanke gut, den „Propheten“ und damit die historische Monumentaloper auf ihre Wirkung in der Gegenwart zu überprüfen; sicherlich auch hatte die Deutsche Oper Berlin gegenüber dem Berliner Meyerbeer eine besondere Verpflichtung. Genauso sicher aber, daß eine wirkliche Prüfung nicht stattfiand. — Musikalisch hat man unter Hollreisers
Nun ist der „Aufstand der Offiziere“ Erwin Piscators letzte Arbeit geworden. Unerwartet verstarb er als Zweiundsiebzigjähriger, wenige Tage nach der Premiere, an den Folgen einer plötzlich notwendig gewordenen Operation. Sicherlich war der „Aufstand der Offiziere“ nicht die beste Inszenierung Piscators. Die Presse hat Autor und Regisseur sehr hart kritisiert. Aber es war ein bezeichnender Abgang: Wenn Pisca- tor auch oft einem schwachen Text seine Arbeitsintensität widmete — niemals einem unbedeutenden Thema.Vom Thema her bekommt auch seine letzte Inszenierung ihre Würde.
Als in Erlangen einander die europäischen Studententheater trafen (in diesem Jahr zum fünfzehnten Male), wurde in einer von Referaten, Aufführungen und vor allem Diskussionen voll ausgefüllten Woche immer erneut um den Begriff des Theaters in gerade dieser Gegenwart gerungen. Zwar gibt es auch bei den Studenten Gruppen, denen an der Spielfreude genug ist; im Vorjahr waren das die Berliner mit Zweigs „Vol-pone“ und Weisenborns „Ballade vom Eulenspiegel“ in glänzenden Aufführungen, in diesem Jahr die Portugiesen mit einer zwar sehr bunten, aber sehr lässigen Inszenierung von
Vor einigen Monaten spielte die West-Berliner Volksbühne Nestroys „Mädel aus der Vorstadt“. Sie hatte sich einen Bühnenbildner aus Wien verpflichtet (Gandolf Buschbeck), ein Wiener Ensemble (Hugo Lindinger, Gusti Wolf, Franz Messner, Karl Augustin, Johanna Mertinz und andere) mit einem Regisseur aus Wien, der zugleich sein eigener Hauptdarsteller war (Heinrich Schweiger). Es wurde ein erfolgreicher Abend, vor allem für den Darsteller Schweiger als Schnoferl und — für Nestroy.Das gleiche Erfolgsrezept wandte das Schillertheater zum Abschluß der Spielzeit an: Nestroy original
Das West-Berliner Schillertheater wollte die Zeit zurückdrehen. 1961 hatte man aus Protest gegen den Mauerbau das Stück des 1956 verstorbenen Bert Brecht „Herr Pun-tila und sein Knecht Matti“ noch vor der Premiere vom Spielplan abgesetzt. Jetzt brachte man es in der Neuinszenierung heraus. Aber man vergaß das Gegengewicht: vor vier Jahren war zugleich Barlachs „Blauer Boll“ zu sehen. Auch dort ein Gutsbesitzer, auch dort ein Leben ohne Rücksicht und Verantwortung, Freß- und Saufszenen als Daseinsinhalt. Barlachs Mecklem-burg und Brechts Finnland zeigen das gleiche Bild. Brecht
Eine Premiere an der Komischen Oper Ost-Berlins wird immer als Ereignis empfunden, auch wenn die Aufführung die hochgespannten Erwartungen gründlich enttäuscht. So war es bei Gay-Brittens „Bettleroper”, inszeniert von Horst Bonnet. Man freute sich auf eine bissige Satire, Hogarth-Karikaturen über der Bühne steigerten die Bereitschaft zu witziger Aggression, und dann kamen behäbigbreite, sehr saubere Bilder und Bürger, niederländisch-derb, biedere Hampelmänner eher als schneidende Karikaturen.Mehr als eine halbe Stunde dauerte es, bis man zum ersten Male eine Parodie spürte:
Die Franzosen machten die große Revolution. Die deutschen Autoren schreiben Stücke darüber, nach vielen illustren Vorgängern nun auch Peter Weiß. Sein Stück trägt den barocken Titel „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Ma- rats, dar gestellt durch die Schauspielgruppe Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“. Es greift aus der Revolution also die Ermordung Ma- rats heraus, gestaltet sie aber als Vergangenheit und Spiel höchst zweifelhafter Mimen: der Insassen nämlich der Anstalt Charenton, aus wahrhaft irren und politisch mißliebigen Individuen zusammengesetzt.
Peter Weiß war bekannt als Verfertiger von Experimentalfilmen, Collagen, Essays, Romanen. Jetzt stellte ihn die Werkstatt des Berliner Schillertheaters als Dramatiker vor. „Nacht mit Gästen“ soll verstanden werden als ein „erster neuartiger Versuch mit dem alten Kasperle-Theater der Schaubude“. Nun hat Cocteau, der ja auch sehr viele verschiedene Dinge konnte, Ähnliches mit seinem „Armen Matrosen“ gezeigt. Peter Weiß ist derber, weniger elegant in Handlung und Sprache, näher auch bei der Grausamkeit der Holzpuppen. Immerhin: man unterhielt sich gut — ein Verdienst zunächst