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Nur ein Experiment

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Am vergangenen Montag abend, den 5. September, waren die Hörer des österreichischen Rundfunks (II. Programm) Ohrenzeugen einer höchst turbulenten Opernübertragung. Hier der Premierenbericht unseres Berliner Korrespondenten:

Sicherlich war der Gedanke gut, den „Propheten“ und damit die historische Monumentaloper auf ihre Wirkung in der Gegenwart zu überprüfen; sicherlich auch hatte die Deutsche Oper Berlin gegenüber dem Berliner Meyerbeer eine besondere Verpflichtung. Genauso sicher aber, daß eine wirkliche Prüfung nicht stattfiand. — Musikalisch hat man unter Hollreisers Stabführung vieles getan, der Regisseur Bohumil Herlischka aber begnügte sich, einen Einfall Bėjarts zu kopieren. Wenn dieser die „Lustige Witwe“ in seiner Brüsseler Inszenierung in eine brisante Spannung zu ihrer Entstehungszeit, dem ersten Weltkrieg, gestellt hatte, so drapierte Herlischka Meyerbeers Werk äußerlich mit ein paar zeitgenössischen Zuschauern, in stilechten Seitenlogen untergebrächt Oder während der Zwischenaktmusiken über die Bühne stolzierend: eine formale Masche, die sich rasch abbraucht und überdies in ihren Voraussetzungen fragwürdig ist. Denn wie soll Spannung entstehen zwischen reichen Pariser Damen und opulenter großer Oper? Für einige Zeit zwar konnte man noch an eine Parodie der Form „Oper“ denken: aber die Beziehungen zwischen gespielten Zuschauern und Meyer- beer-Oper beschränken sich auf stereotype Klatschgesten, und was auf der Bühne als köstliche Parodie erschien, war Unvermögen — des Scribeschen Textes und mehr noch des Regisseurs. Nach der Pause setzte sich die Musik dann durch: in konventionellem Szenenarrangement, gestört durch einigen Regie- flrlefanz (rotierende gotische Domspitzen) und ein bemerkenswert schwerfälliges Ballett. Aber James McCracken, Allessandra Warfleid und Annabelle Bernard sangen kraftvoll, das Orchester schmetterte den Krönungsmarsch; ich begann zu glauben, daß Meyerbeer gute Musik geschrieben hat. — Jedenfalls: diesen Regisseur hatte er nicht verdient.

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