Auf dem Schachbrett der Asylpolitik

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Wer regiert das Land, das sich für Wikileaks-Gründer Julian Assange auch mit Großmächten anlegt? Eine ecuadorianische Erkundung.

Politisches Asyl hat in Lateinamerika eine lange Tradition. Man denke an die geschlagenen Republikaner aus dem Spanischen Bürgerkrieg, die ab 1939 zu Tausenden in Mexiko oder Chile Zuflucht vor dem Franco-Regime fanden. Aber selten wird Asyl aus rein technischen Gründen gewährt: Fast immer steckt ein politisches Kalkül dahinter. So positionierte sich Mexiko Jahrzehnte lang als sicherer Hafen für Gegner rechter Diktaturen von Argentinien bis Guatemala. Obwohl die Regierung gegen die eigene Opposition oft mit mörderischer Gewalt vorging, strahlte das Land der Azteken als Verteidiger der Menschenrechte. Kubanische Dissidenten konnten nicht nur in den USA, sondern auch bei deren Verbündeten auf dem Subkontinent auf Schutz hoffen. Washington wusste es zu danken.

Verfolgt durch die USA?

Kein Wunder, dass auch die derzeit prominenteste Asylentscheidung nicht einzig dem Schutz der Informationsfreiheit und der Gefahr eines politischen Verfahrens in den USA geschuldet ist. Ecuador wird, wie die meisten lateinamerikanischen Länder, links regiert. Schon vor zwei Jahren, als in Schweden die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen Julian Assange auftauchten, galt in weiten Kreisen Lateinamerikas als ausgemacht, dass in Wahrheit die USA dahinterstünden und den Wikileaks-Gründer wegen der Veröffentlichung peinlicher und brisanter Berichte von US-Militärs und Diplomaten aburteilen wollten.

Die Beziehungen zwischen Washington und Quito sind gespannt, seit Rafael Correa 2007 die Präsidentschaft antrat. 2009 mussten die USA ihre Militärbasis im ecuadorianischen Manta räumen. Im April 2011 erklärte Ecuador US-Botschafterin Heather Hodges zur persona non grata. Sie hatte, wie Wikileaks enthüllte, die Ernennung des Polizeikommandanten kritisiert, weil dieser in politische Korruption verwickelt sei. Die USA reagierten mit dem Rauswurf des ecuadorianischen Botschafters Luis Gallegos. Correa bot Julian Assange schon damals Asyl an für den Fall, dass er solches brauchen würde.

"Im Unterschied zu anderen Ländern nimmt Ecuador die Vorschriften der Menschenrechte und Pressefreiheit ernst“, sagte Christine Assange als Erklärung, warum ihr Sohn gerade den Schutz dieses Landes gesucht habe. Tatsächlich bringt die 2008 per Volksabstimmung abgesegnete Verfassung nicht nur den ethnischen Minderheiten volle Gleichstellung, sie verankert auch die Rechte der Natur. Da war es nur konsequent, dass mit dem Nationalpark Yasuní ein Präzedenzfall geschaffen werden sollte. Erdölreserven, deren Förderung den Lebensraum indigener Gruppen zerstören würde, sollten unangetastet bleiben, wenn die Völkergemeinschaft dafür eine Kompensation zahle. Allerdings werden andere sensible Gebiete von der Regierung zur Erdölförderung freigegeben und die Rechte der Ureinwohner dabei mit Füßen getreten.

"Julian Assange ist ein Experte in Sachen Kommunikation, international ausgezeichnet für seinen Kampf um die Rede- und Pressefreiheit und die Menschenrechte im Allgemeinen“, heißt es in der Begründung für die Asylgewährung. Doch gerade auf dem Gebiet der Informationsfreiheit dürften die Vorstellungen von Rafael Correa und Julian Assange mehr als einen Ozean weit auseinanderliegen. Oppositionelle Medien, die den Präsidenten mit oft journalistisch zweifelhaften Methoden heruntermachen, werden an die Kandare genommen.

Medienfreiheit eingeschränkt

Der Entwurf des neuen Kommunikationsgesetzes sieht Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Man darf unterstellen, dass die Sympathie mit Assange geringer wäre, hätte er kompromittierende militärische Informationen Ecuadors an die Öffentlichkeit gebracht. Und auch im Asylrecht wird mit zweierlei Maß gemessen. So wurde der weißrussische Dissident Alexander Barankov, der seit zwei Jahren in Ecuador Asyl genoss, wenige Tage nach dem Besuch des Autokraten Alexander Lukaschenko in Haft genommen. Eine Zusicherung, dem Mann drohe in der Heimat weder Todesstrafe noch lebenslänglich, reichte den Behörden, die Auslieferung einzuleiten. Kein Wunder, dass nicht nur die Rechtsopposition, sondern auch Volksorganisationen in der Asylgewährung ein Ablenkungsmanöver sehen, das Correa als Helden dastehen lassen soll.

Unterstützung kommt aber von Intellektuellen, von den meisten Regierungen des Subkontinents und wohl auch von einer Mehrheit der Bevölkerung, die in der Affäre einen Akt der Souveränität gegenüber den Großmächten sieht.

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