Benedikts Evolutionstheorie

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Sein Bayernbesuch zeichnet die Konturen des Pontifikates weiter: Ein gelöster, werbender Benedikt XVI.; Bestimmtheit, aber Schlichtheit in Gestus und Ritus; das (scheinbar) Schüchterne ist geblieben, und in seiner Heimat wird er umjubelt und so wenig kritisiert, wie Joseph Ratzinger es sich nie hätte träumen lassen.

Ist somit die Trendwende von der Religionsflucht zur Gottsuche da? Solche Frage steht weiter im Raum: Suche vielleicht ja, aber suchen die Menschen Gott über die Gestalt dieser katholischen Kirche?

Eines ist klar: Benedikt XVI. steht für ein traditionelles Glaubensmodell, das auf Bewährtes und Bewahrendes setzt - und den langen Atem vor dem Überlegen heutiger Lösungen für pastorale Probleme favorisiert. Priestermangel, quantitative wie qualitative Erosion des Nachwuchses gerade in dem Teil der Welt, den Benedikt XVI. zur Zeit besucht? Ein langer Atem, und man hofft, die Krise legt sich wieder.

Überwindung der Glaubensspaltung? "Auch wenn man 500 Jahre nicht einfach bürokratisch oder durch gescheite Gespräche beiseite schieben kann - wir werden uns mit Herz und Verstand darum mühen, dass wir zueinander kommen", replizierte der Papst dem deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler auf dessen Bitte um besondere ökumenische Anstrengungen.

Solche Sprache ist freundlich, aber klar: Benedikt XVI. setzt auf Evolution, nicht auf schnelle Veränderung. Wer in Jahrhunderten denkt, kann warten. Wird der aber die Ungeduld verstehen, die bei jenen aufkommt, welche die ökumenischen Fortschritte der letzten 50 Jahre bröseln sehen?

Denn es ist genau umgekehrt: Der Aufbau der 500-jährigen Trennung war zu einem Gutteil bürokratisch, das heißt, deren Überwindung ist nicht eine Frage der Bürokratie sondern, wie Christen glauben, des Geistes und des Mutes zu Neuem: gerade als Katholik fordert man solche Haltung ein - auch vom Papst.

otto.friedrich@furche.at

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