Bequem und individuell

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Die Ausstellung „Wohnen zwischen den Kriegen. Wiener Möbel 1914-1941“ gibt Einblicke in Wiener Wohnwelten zwischen Ringstraßenästhetik und internationaler Moderne.

Moderne versus Ringstraßenästhetik, Stahlrohrmöbel versus altdeutsche Ungetüme: So eindeutig, wie es scheint, waren die Fronten in Sachen Wohnungseinrichtung während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts nicht. Speziell in Wien entwickelte sich in der Zwischenkriegszeit eine „andere Moderne“, die sich deutlich von der internationalen Moderne unterschied. Die Ausstellung „Wohnen zwischen den Kriegen“ im Hofmobiliendepot wirft einen Blick auf diese Form der Wohnkultur.

Die bürgerlichen Wohnungen in Wien waren auch noch nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend vom Geschmack der Ringstraßenzeit bestimmt: vollgeräumt mit schweren, opulent verzierten Möbeln, dicht bestückt mit Polstern, Zierdecken und Blumenvasen. Die internationale Moderne setzte diesem Stil eine radikal unterschiedliche Wohnästhetik entgegen: leichte Möbel aus modernen Materialien, weiße Wände, Reduktion aufs Notwendige. Die Wohnung sollte ebenso funktional wie eine Fabrik oder eine moderne Großstadt gestaltet sein.

Die Bedürfnisse der Bewohner standen im Zentrum

Die gemäßigte Wiener Moderne hingegen setzte auf Bequemlichkeit und Individualität. Die neuen Wiener Möbel und Wohnungseinrichtungen zeichneten sich durch Formenvielfalt, raffinierte Details und handwerkliche Qualität aus. Durch den Einsatz von Holz und Stoffen in gedämpften Farben verbanden die Architekten gekonnt die Moderne mit einem Hauch Wiener Gemütlichkeit. Im Gegensatz zur dogmatischen Avantgarde, deren ästhetischen Vorgaben sich der Mensch unterzuordnen hatte, richtete man sich in Wien nach den Bedürfnissen der Bewohner.

Doch ganz undogmatisch waren auch die Wiener Architekten nicht, wie zum Beispiel Ernst Plischke, der 1928 für Lucie Rie ein modernes Ambiente mit Einbauschränken aus Nussbaumholz und unterschiedlichen Sitzmöbeln gestaltete. Dass sich die Keramikerin zusätzlich noch einen Stahlrohrfauteuil in die Wohnung stellte, erbitterte den Architekten. Jahrelang versuchte er, seiner Kundin die Sitzgelegenheit madig zu machen – vergeblich. Erst als Rie 1938 nach England emigrieren musste und es schaffte, den Großteil ihrer Möbel mitzunehmen, ließ sie den Sessel zurück. Nach ihrem Tod 1995 kaufte das Hofmobiliendepot die Wohnungseinrichtung. Seither ist sie in der permanenten Schau des Museums ausgestellt – mit einem Exemplar des inkriminierten Fauteuils darin.

In dieser Geschichte spiegelt sich der traurige zeitgeschichtliche Hintergrund auf eher kuriose Weise wider. Die Hälfte der ausgestellten Architekten und ein Drittel der Auftraggeber wurden in die Emigration gezwungen. Ihre Wohnungen wurden „arisiert“, die Möbel wurden im Dorotheum versteigert und landeten im Kunsthandel, wo heute noch das eine oder andere Stück auftaucht. „Man kann sicher sein, dass sich in fast jeder Wiener Wohnung mit historischen Möbeln arisierte Stücke befinden“, meint Ilsebill Barta, wissenschaftliche Leiterin des Hofmobiliendepots.

Wohnen zwischen den Kriegen. Wiener Möbel 1914–1941

Hofmobiliendepot, Andreasgasse 7, 1070 Wien

bis 14. Februar 2010, Di–So 10–18 Uhr

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