Dem Erzählen verschrieben

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Zur Zeit der Rundfunkreform der 60er war er Radiomann der ersten Stunde, dann stand er für Religionsjournalismus im Radio: Hubert Gaisbauer wird 70.

Das Bild des jungen Mannes mit der Vinylplatte in der Hand - wer würde heute vermuten, dass Hubert Gaisbauer einmal die Gottseibeiuns-Sendung Musicbox gemacht hat? Und dass er es damals - mit seinen Kolleg/inn/en Ernst Grissemann, Andre Heller, Heide Pils, Alfred Treiber, Frank Elstner (auch der war dabei!) und anderen Ö3-Tätern - auf die Titelseite der Gottseibeiuns-Illustrierten Bravo geschafft hat? "Unser Summer of Love (and Innocence)": So hat Gaisbauer jene Jahre 1967/68 in der FURCHE beschrieben, als die jungen Wilden, von Gerd Bacher losgelassen, das Radio neu erfanden. Ö3 entstand und wurde zum (Jugend-) Kultur-Radio - man kann sich das heute ja kaum mehr denken, und er tat an vorderster Stelle mit. Aber auch bei Ö1, dessen Gründerzeitgeist weit in die 70er Jahre hineinreichte. Wo aus dem ORF qualitätsradiomäßig etwas zu holen war, dort hatte Gaisbauer immer wieder die Hände im Spiel. Bis 1989 leitete er die große Abteilung "Gesellschaft, Jugend, Familie". Stilbildende Sendungen entstanden, sein Lieblingskind, die Menschenbilder, nahm er in seinen nächsten ORF-Job mit - und konnte sie über seine Emeritierung hinaus retten, indem er sie in kompetente Hände legte.

1989 - die Zeiten von Quotendruck und Kommerzradio dräuten längst - eroberte sich Gaisbauer ein neues Refugium in der Argentinierstraße: Er übernahm den blassen "Kirchenfunk" und gestaltete diesen zur geachteten "Abteilung Religion" um. Unabhängiger Religions-journalismus, etwas, das Österreichs Medienlandschaft damals wie heute notwendig hat, erlebte in den zehn Jahren unter Gaisbauer im Radio einen - danach nicht mehr erreichten - Höhepunkt.

Nicht aus Opposition, sondern aufgrund des Ethos der Freiheit für die Berichterstattung (für die im Übrigen auch die katholische Kirche des II. Vatikanums votiert hatte) löste Gaisbauer die Sendungen aus allzu engen kirchlichen Umklammerungen. Die Predigtsendung Morgenbetrachtung etwa, in der sich vor allem Geistliche getummelt hatten, ersetzte er durch die Gedanken für den Tag (auch diese Ö1-Sendung gibt es heute noch), wo Menschen, die im weitesten Sinn etwas zu Religion und/oder Spiritualität beitragen konnten - darunter natürlich auch Geistliche! - zu Wort kamen. Und wo Wert auf sorgfältige Sprache gelegt wurde.

Pionier eines intimen Mediums

Ein intimes Medium sei das Radio, schrieb Gaisbauer kurz vor seiner Emeritierung 1999 in der FURCHE. Im weiteren Sinn sei Radiokultur gar etwas wie "Seelsorge" - dann nämlich, wenn diese auf den "ganzen Menschen" ziele. Die Weitergabe von Religion und Glaubenserfahrung habe, so der damalige Religionsabteilungsleiter, "vor allem in der jüdisch-christlichen Kultur mit Erzählen zu tun".

Diesem Erzählen hat sich Gaisbauer nach 1999 auch als Privatier verschrieben - nicht zuletzt als FURCHE-Autor. Die Erinnerung an die (ost)jüdische Kultur wachzuhalten, blieb ihm ebenso Anliegen wie etwa die Auseinandersetzung mit den "Czernowitzer" Dichtern - von Paul Celan bis Rose Ausländer. Oder er wandelte an der Schnittstelle von Religion und Kunst, indem er den Maler El Greco religiös, aber ganz und gar nicht frömmelnd erschloss. In seinem 1997 erschienenen Buch "Tanz der Gedanken" hat er sich all diesen Aspekten verschrieben. Ein leiser Gaisbauer, anders als der jugendliche (Vor-)68er, aber im Ringen um die Zärtlichkeit des Kommunikationsmittels Sprache mindestens so wichtig.

Am 22. Jänner wird dieser Pionier des Radios, der Sprache und beider Spiritualität 70 Jahre alt. Wahr. Aber unglaublich.

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