Disco-Fotos, die zweite

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Das Oberlandesgericht Wien hat medienrechtliche Anträge von Frau Kampusch wegen der Veröffentlichung von (heimlich aufgenommenen) Disco-Fotos in der Gratiszeitung Heute überraschend abgewiesen. Die Begründung fiel befremdlich aus: Ihr höchstpersönlicher Lebensbereich sei nicht verletzt worden. Sie habe sich freiwillig und zu ihrem finanziellen Vorteil ins „Schlaglicht“ der Medien begeben.

Nach einer (selten genutzten) Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators hatte der Oberste Gerichtshof Gelegenheit, zu diesem Urteil Stellung zu nehmen:

Das Hauptargument, Frau Kampusch habe durch ihr für alle Anwesenden „unschwer wahrnehmbares“ Verhalten in einem öffentlich zugänglichen Tanzlokal den Schutzbereich des § 7 MedienG gleichsam selbst verlassen, wurde in aller Deutlichkeit verworfen. Zwar würden Intimität, Vertraulichkeit und Diskretionschance schwinden, je weiter sich der Einzelne aus beherrschbaren Räumen in das „Licht der Öffentlichkeit“ begebe. Doch die allgemeine Sichtbarkeit an öffentlichen Orten und in offenen Sozialkontakten sei immer nur Teilöffentlichkeit in räumlicher und zeitlicher Begrenzung. Erst die Veröffentlichung durch ein Massenmedium setzt sich über diese Schranken hinweg und vermag eine potenziell unbeschränkte, Raum und Zeit überwindende Publizität herzustellen.

Die Berichterstattung, die undistanziert die körperliche Nähe zu ihrem Tanzpartner sowohl fotografisch als auch textlich fokussierte und spekulativ ihre „erste Liebe“ schilderte, war daher nach Meinung des OGH sehr wohl bloßstellend. Frau Kampusch wurde dadurch realitätsverzerrend zum Objekt einer klischeehaften Spekulation über ihr Privatleben degradiert. Auch eine allfällige Zustimmung zur Veröffentlichung hätte sich auf den konkreten Anlassfall beziehen müssen.

Das Urteil des OLG Wien stand mit dem Gesetz also nicht im Einklang.

* Die Autorin ist Medienanwältin in der Kanzlei windhager & ehrnhöfer und vertritt u.a. den „Standard“

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