Einer, der sich nie den Mund verbieten ließ

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Eigentlich könnte man Jacques Gaillot und Papst Franziskus als Brüder im Geist ansehen. Allerdings ist der eine Papst und der andere ein von seinem Vorvorgänger abgesetzter Diözesanbischof. Weil aber Franziskus sich immer wieder über die vatikanische Etikette hinwegsetzt, empfing er am 1. September Jacques Gaillot, emeritierter Titularbischof von Partenia, zu einem 45-minütigen Gespräch. Zur Segnung wiederverheirateter Geschiedener oder homosexueller Paare, für die Gaillot eintritt, habe der Papst dabei gemeint: "Der Segen Gottes ist für alle da." Zum Thema Flüchtlinge und Migranten, eine der zentralen Anliegen Gaillots seit seiner Absetzung, habe er betont: "Die Migranten waren und sind immer das 'Fleisch' der Kirche." Zwischen 1957 und 1959 nahm Jacques Gaillot am Algerienkrieg teil, von dem er als überzeugter Gewaltloser zurückkehrte. Friedensarbeit und der Einsatz für Randgruppen waren fürderhin wesentliche Grundlagen seines Engagements, auch nachdem er 1982 zum Bischof von Évreux in Nordfrankreich wurde. Unter anderem kritisierte er scharf die französischen Einwanderungsgesetze und legte es sich mit Hardliner und Innenminister Charles Pasqua an. Dieser Konflikt dürfte der Auslöser gewesen sein, dass ihn Johannes Paul II. 1995 als Diözesanbischof ablöste und Gaillot das Titularbistum Partenia, das im heutigen Algerien liegt, zuwies. Gaillot ließ sich aber in der zwangsweisen Emeritierung nicht den Mund verbieten und baute Partenia im Internet zu einer "virtuelle" Diözese aus, in dem er sich zu politischen Themen, aber auch den kirchlichen heißen Eisen - Zölibat, Empfängnisverhütung, Homosexualität - zu Wort meldete, und die auch eine Plattform für viele andere katholische Kirchenkritiker darstellte.

Konservative Kirchenleute wie der damalige Kölner Kardinal Meisner, der ihm noch 2012 Auftritte in seiner Diözese verbot, standen Gaillots kirchenreformerischen Agenda stets ablehnend gegenüber. Mit seinen französischen Amtskollegen gab es hingegen immer wieder Zeichen der Annäherung, eine offizielle Bereinigung des Konflikts um seine Person erfolgte dennoch nie.

Seit 2013 verfasst Jacques Gaillot Kolumnen in der Online-Zeitung Huffington Post, seine Bücher wurden und werden auch im deutschen Sprachraum gelesen, etwa der 2004 erschienene Band "Ein Katechismus, der Freiheit atmet".

Am 11. September wird der streitbare Kirchenmann und Apostel aller Arten von Armen 80 Jahre alt.

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