Freikirchen: bald staatlich anerkannt

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Die Freikirchen in Österreich stehen - überraschend vor der Anerkennung als gesetzliche Religionsgemeinschaft. Die katholische Kirche unterstützt das.

Johannes Fichtenbauer ist zufrieden. Jahrzehnte lang hat sich der Wiener katholische Theologe um den Dialog mit den sogenannten Freikirchen bemüht, jetzt könnten seine Bemühungen zumindest in Bezug auf die staatliche Anerkennung Früchte tragen. Fichtenbauer war maßgeblich an jenem Prozess beteiligt, der dazu führen könnte, dass die "Freikirchen in Österreich“ in den kommenden Monaten in den Rang der "gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften“ aufsteigen.

Es ist ein historischer Zusammenschluss - da sind sich alle Beteiligten einig. Wie das ORF-Religionsmagazin "Orientierung“ am 20. Jänner berichtete, haben fünf freikirchliche Bünde (Freie Christengemeinde-Pfingstgemeinde, Bund evangelikaler Gemeinden, Bund der Baptistengemeinden, Elaia Christengemeinden, Mennonitische Freikirche) beschlossen, sich unter einem Dach zusammenzuschließen und gemeinsam die staatliche Anerkennung zu beantragen. Vor allem, dass sich hier Evangelikale und Pfingstler unter einem Dach versammeln, galt noch vor wenigen Jahren als höchst unwahrscheinlich - zu tief schienen die Gräben zwischen den verschiedenen freikirchlichen Traditionen.

Gräben überwunden

Vorangegangen war dem Entschluss also ein Verhandlungsprozess von etwa zwei Jahren, an dem neben Vertretern der Freikirchen auch Berater von außen beteiligt waren. Fichtenbauer, vom Wiener Erzbischof Christoph Schönborn für den Dialog mit den Freikirchen beauftragt, war als Vertreter der römisch-katholischen Kirche von Anfang an dabei.

Um Fichtenbauers Rolle in Bezug auf die Freikirchen zu verstehen, muss man allerdings etwas weiter zurückblicken. Der 1956 geborene Theologe wuchs in einer katholischen Familie auf, machte aber schon im Teenager-Alter erste Erfahrungen in und mit freikirchlichen Gemeinden. Seine eigene spirituelle Heimat findet Fichtenbauer später in der "Charismatischen Erneuerung“ innerhalb der katholischen Kirche - der Kontakt zu verschiedenen Freikirchen bleibt allerdings bestehen.

Die offiziellen Stellen in der katholischen Kirche betrachten sein Engagement für den Dialog mit den Freikirchen mit Skepsis, sogar seine Weihe zum Diakon ist in Gefahr. Als Schönborn 1995 Erzbischof von Wien wird, entspannt sich die Situation und Fichtenbauer wird offiziell zum "Freikirchen-Beauftragten“. Ende der 90er-Jahre wird schließlich der "Weg der Versöhnung - Runder Tisch Österreich“ gegründet, Fichtenbauer ist bis heute dessen Vorsitzender. Diese Plattform, an der sämtliche christliche Strömungen Österreichs beteiligt sind, bildet einen der wichtigsten Grundsteine für das Zusammenfinden der Freikirchen. Denn aus dem "Runden Tisch“ entwickelte sich unter anderem jene Arbeitsgruppe, die in den vergangenen zwei Jahren an der Anerkennung der Freikirchen gearbeitet hat.

Das Ringen um Anerkennung

"Die Arbeitsgruppe hatte zunächst zwei Ziele“, erzählt Fichtenbauer. "Das unmittelbare Ziel war die ‚Rettung‘ des Bekenntnisgemeinschaften-Gesetzes, das langfristige eine Anerkennung der Freikirchen.“ Die Geschichte des "Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften“ ist untrennbar mit jener der Anerkennungsbemühungen der Freikirchen verbunden. Mit dem Gesetz wurden im Jahr 1998 neben den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften die "eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften“ ins Leben gerufen - eine Art Vorstufe, die aber nicht die entscheidenden Vorteile einer Anerkennung mit sich bringt. Die fünf freikirchlichen Bünde sitzen in dieser Vorstufe fest, weil keiner von ihnen allein die Anforderungen für die Aufstieg zur Anerkennung erfüllt. Seit es das Gesetz gibt, laufen die Freikirchen dagegen Sturm.

Entscheidendes Kriterium sind die Mitgliederzahlen: Zwei Promille der österreichischen Gesamtbevölkerung, also derzeit etwa 17.000 Menschen, müssen laut Gesetz zu einer Gemeinschaft gehören, damit sie anerkannt werden kann. Keine der derzeit elf eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften erreicht diese Zahl.

Als im Jahr 2011 das Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz novelliert wurde, hofften die Freikirchen auf eine Aufhebung dieser Anforderung, die neu geschaffene Arbeitsgruppe sollte in der Öffentlichkeit und durch parlamentarische Stellungnahmen dazu beitragen. Doch es kam anders: Trotz heftiger Kritik wurde das Gesetz durchs Parlament gewinkt und trat in Kraft. "Wir waren alle sehr enttäuscht“, erinnert sich Fichtenbauer. Es war dieser ernüchternde Tiefpunkt, an dem die Idee einer noch engeren Partnerschaft zwischen den Freikirchen geboren wurde. Anstatt gemeinsam an Lösungen für die einzelnen Bünde zu arbeiten, beschloss man nach der Novelle des Bekenntnisgemeinschaften-Gesetzes einen anderen Weg einzuschlagen.

"Eigentlich war gleich nach dem Inkrafttreten der Novelle klar, dass wir weitermachen würden“, sagt Fichtenbauer. "Allerdings war das Ziel damals noch ein eigenes Gesetz für die Freikirchen, ähnlich wie das Altorientalen-Gesetz“.

Man bereitete sich also auf schwierige und langwierige politische Überzeugungsarbeit vor, als sich - völlig überraschend - noch eine weitere Tür auftat: Im Zuge eines informellen Treffens signalisierte das Kultusamt plötzlich die Bereitschaft, über die Anerkennung eines Zusammenschlusses von mehreren freikirchlichen Bünden nachzudenken, sollte sich ein derartiges Bündnis mit insgesamt ausreichenden Mitgliederzahlen finden. Wer das Kultusamt und seine übliche Vorgehensweise kenne, so Fichtenbauer, könne nachvollziehen, wie sie von diesem Signal überrascht gewesen seien. "Aber sicher hat da auch die Unterstützung der Großkirchen eine große Rolle gespielt.“

Dialog mit der katholischen Kirche

Diese Unterstützung ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Während die etablierten Großkirchen mit Mitgliederschwund und leeren Gotteshäusern zu kämpfen haben, sind die Freikirchen weltweit, aber auch in Österreich die am schnellsten wachsende christliche Gruppierung. In der Vergangenheit führte das zu einer skeptischen Abwehrhaltung seitens der katholischen und der evangelischen Kirche.

"Für die Unterstützung aus den Reihen der katholischen Kirche war es sehr wichtig, dass die Freikirchen es geschafft haben, sich zusammenzuraufen und mit einer Stimme zu sprechen“, erzählt Fichtenbauer. Abgesehen davon, habe es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder Begegnungen zwischen Vertretern beider Seiten gegeben, die geholfen hätten, Vorurteile abzubauen. Im Jänner 2011 beispielsweise traf die Dechantenkonferenz der Erzdiözese mit einigen Pastoren aus verschiedenen Freikirchen zusammen. "Die Dechanten haben sie mit Fragen nur so gelöchert“, erinnert sich Fichtenbauer, "vor allem was die Arbeit mit Jugendlichen angeht“. Selbst er habe ein derart offenes und positives Interesse nicht erwartet.

Doch auch bei den Freikirchen habe sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Man habe eingesehen, so Fichtenbauer, dass jeder für sich nichts erreichen könne, gleichzeitig aber gespürt, dass man die eigenen Werte in die Gesellschaft einbringen wolle. Als Freikirchen vereint und zusammen mit anderen Christen wolle man "gemeinsam Gesellschaftsverantwortung wahrnehmen“, das sagen auch die Vertreter der Freikirchen selbst. Ein hehres Ziel - die Anerkennung sehen sie als ersten Schritt.

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