Gemütliche Bestialität

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Theaterherbst in St. Pölten: "Die Präsidentinnen" von Werner Schwab in einer konsumierbaren Inszenierung und Kleists "Käthchen von Heilbronn" in stark gekürzter Fassung.

Werner Schwabs Stück "Die Präsidentinnen", das bei der Uraufführung im Jahr 1990 noch für Skandale sorgte, regt heute keinen mehr auf. Die schockierende Sprache des Grazer Sprachberserkers verjagt keine Zuschauer. Für einen unterhaltsamen Abend taugt das Stück aber noch immer. Das Ungeheure wird von Regisseurin Dora Schneider in eine konsumierbare Form gebracht. Das Bestialische breitet sie gemütlich aus. Selbst die ärgsten Obszönitäten sorgen für Gelächter im Publikum.

Christian Weißenberger hat die Trostlosigkeit einer Kleinbürger-Behausung realitätsgetreu nachgebaut. In dieser deprimierenden Umgebung sitzen drei Frauen beisammen, die alle ihre besten Jahre schon hinter sich haben, und lästern während der Übertragung einer Papstmesse über ihre Mitmenschen. Da ist die bigott-heuchlerische Erna, die sich über ihren versoffenen Sohn beklagt. Da ist das lebenshungrige Luder Grete; einst hat sie hingenommen, dass der Ehemann die Tochter sexuell missbrauchte. Und da ist Mariedl, die fleißige Seele, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Aborte ohne Handschuhe zu reinigen. Als sich die drei Frauen dann ausmalen, was das Leben für sie noch bereithalten könnte, werden die sexuell aufgeladenen Phantasien zunehmend gewalttätiger.

Exzellent, wie die drei unterschiedlichen Frauentypen von den Schauspielerinnen interpretiert werden. Dolores Schmidinger als Grete ist ganz auf jugendlich getrimmt, in hautenger schwarzer Jean, violetter Lackjacke und schwarzen Stöckelschuhen und mit jeder Menge Klunkern behängt. Der Hass, der sich hinter ihrer Lebenslust versteckt, enthüllt sich wie bei ihrer konservativen Antagonistin Erna erst im Laufe des Abends. Die wird von Brigitte Neumeister als plumper, meist unbeweglich im Sessel verharrender Fleischberg gespielt. Eine beeindruckende Leistung bietet Cornelia Köndgen in der Rolle der Mariedl. Diese halbdebile, gedemütigte Menschenseele wird von Köndgen bis in die bewusst steife Gestik hinein überzeugend verkörpert.

Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbrunn" wurde im Landestheater St. Pölten mit dem Rotstift zu Leibe gerückt. Regisseur Johannes Gleim hat das "große historische Ritterschauschauspiel" ohne viel Federlesens um zahlreiche Figuren und Nebenhandlungen gekürzt. Das Ergebnis gibt ihm Recht. Zu sehen ist eine temporeiche Aufführung mit viel Witz und voller Überraschungen. Die Inszenierung konzentriert sich auf Käthchens Treue zu ihren Gefühlen, ihren unbedingten Glücksanspruch und den Konflikt mit der sinistren Rivalin Kunigunde. Die Ritterkämpfe werden parodistisch gehalten. Ihre Schlägereien tragen die "Ritter" in Westernmanier in Zeitlupe aus.

Nicht ganz überzeugend sind die Leistungen der Schauspieler. Charlott von Blumencron bleibt als Käthchen blass. Der Anspruch dieses modernen Blumenkinds auf den "Himmel auf Erden" wirkt nicht glaubwürdig. Eine Gestalt ganz aus einem Guss ist hingegen die von Antje Hochholdinger hervorragend verkörperte Kunigunde. Beeindruckend, wie sie ihren lädierten Körper zu immer neuen Verführungskünsten zwingt. Graf Wetter vom Strahl, gespielt von Mirko Roggenbock, fehlen die klaren Konturen. Vor allem der innere Kampf dieser Figur ist zu wenig herausgearbeitet. Für heitere Momente sorgen Thomas Mraz als Gottschalk und Karin Yoko Jochum als Rosalie. Insgesamt eine passable Inszenierung des Klassikers.

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