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Dichter, Kämpfer, Staatsmann

19451960198020002020

NJEGOS. Dichter zwischen Kirche und Staat. Von Milovan Djilas. Aus dem Serbischen von Zora Shaked. Verlag Fritz Molden, Wien-Frankfurt-Zürich. Acht Bildseiten. Stammtafel. 496 Seiten. Leinen. S 198.—.

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NJEGOS. Dichter zwischen Kirche und Staat. Von Milovan Djilas. Aus dem Serbischen von Zora Shaked. Verlag Fritz Molden, Wien-Frankfurt-Zürich. Acht Bildseiten. Stammtafel. 496 Seiten. Leinen. S 198.—.

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Das Geschick des montenegrinischen Herrschers und Bischofs Rade, der sich nach einem seiner Vorfahren Njegoš nannte, wurde zu einem getreuen Abbild der Leiden des serbischen Volkes im Mittelalter und zur Zeit der Türkenkriege. Nie konnten die Serben ihre Niederlage auf dem Amselfeld (1389) verwinden; seither lebten sie in ständiger Feindschaft mit den Türken, aber auch Stammesfehden ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Montenegros Berge glichen einer Bastion in dieser von Mißtrauen, Verrat und Haß zerrütteten Welt. Dort unternahm der junge orthodoxe Bischof Rade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Versuch, die Sippen in. den Schwarzen Bergen miteinander auszusöhnen und eine Regierung für das ganze Land zu bilden.

In der montenegrinischen Felsenwüste errichtete der Njegoš die erste Schule; er bemühte sich, Moskau, Wien und Venedig für die Unterstützung seines Freiheitskampfes zu gewinnen. Die Russen ließen ihn allerdings im Stich, eine Enttäuschung, die ihn hart getroffen haben mag. Ebenso verbittert mag Milovan Djilas, der Verfasser der vorliegenden Biographie des Njegoš, gewesen sein, als er, der frühere Verbindungsmann Titos in Moskau und Ohefideologe der Partei, seiner publizistischen Tätigkeit wegen 1956 sowie in den folgenden Jahren mehrmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Seit 1966 kann sich Djilas, der dieses Werk im Gefängnis geschrieben hat, unbehindert dem Beruf eines Schriftstellers widmen und im Ausland seine Anschauungen darlegen.

Mit Tiefgründigkeit und Akribie hat Djilas das Wesen des Njegoš durchleuchtet und dargestellt; Bischof Rade, der Herr Montenegros, war Lehrer und Freiheitskämpfer, Dichter und Staatsmann in einem. Den Regungen der Volksseelen aufgeschlossen, wußte er um die Not und das Leid seiner Landsleute, um die vielfältigen Gefahren, die Montenegro von außen und innen bedrohten. Was der Njegoš erlebte, erlitt und erstritt, gab ihm die Kraft, den Freiheitskampf seiner Landsleute in Liedern und Gesängen zu feiern. Sein ergreifendstes Werk ist das Epos „Der Bergkranz“, in dem er ein Massaker der türkischen Renegaten in Montenegro beklagt und dadurch dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Montenegrinern und Türken beredten Ausdruck verleiht. Sein Kampf galt ebenso der Unwissenheit wie den Dämonen der Blutrache und der Vergeltung.

Am_ 19. Oktober 1851 erlag der Njegoš einem tückischen Lungenleiden, elf Tage vor Vollendung seines achtunddreißigsten Lebensjahres. Seinem Wunsch gemäß wurde er auf dem Gipfel des Locen, auf dem Berg, der Cetinje, die Residenz Montenegros, überragt, feierlich bei- gesetz.

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