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Wider die Lüge vom „Völkerkerker“

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Mit Erschütterung legt der österreichische Leser diesen schmalen Band über die letzten Tage. der österreichischen Herrschaft in der Bukowina aus der Hand. Was jeder Österreicher geahnt hatte, was er gehofft hatte, daß sein großes Vaterland nur mit Gewalt zerschlagen wurde, daß die Nationen gar nicht dem „Völkerkerker“ entfliehen wollten — hier, am Beispiel der Bukowina, „Kleinösterreichs in den Karpaten“, findet er seine Ahnung, seine Hoffnung bestätigt.

Denn wie anders soll der Leser die Tatsachen deuten, daß noch im September und Oktober große — nicht inszenierte — Kundgebungen der rumänischen Bauern für Österreich stattfanden? Daß Generalmajor Fischer, der berühmte Verteidiger der Bukowina, Ende Qktober nach Wien meldete, daß die überwiegende Anzahl der Ukrainer sich für die austro-ukrainische Lösung erkläre? Daß am 4. November 1918 noch alle Konfessionen des Landes den Namenstag Kaiser Karls feierten und von allen acht Landessprachen gesungen das „Gott erhalte“ erklang? Daß der Vertreter der Rumänen den einrückenden königlich-rumänischen Truppen, die übrigens erklärten, nur aus Polizeizwecken in das Land einzurücken und dies auch dem k. u. k. Botschafter mitteilten, daß dieser Vertreter der österreichischen Rumänen dem rumänischen General ein Memorandum übergab, das nichts anderes ausdrückte, als daß die Rumänen der Monarchie weiterhin in Form eines Bundesstaates bei Österreich verbleiben wollten? Wie anders soll der Leser diese nackten, auf Dokumente gestützten Tatsachen deuten, als daß sein altes Vaterland alles andere als morsch war? Daß der Slogan vom „Völkerkerker“ nur eine gemeine Lüge war?

Ergriffenheit packt den Leser, wenn er in dem Bericht des letzten k. k. Landespräsidenten Grafen Erdorf (er blieb bis 20. Dezember 1918 im Land und verließ es im Sonderzug), bei der Schilderung' des Endes der Monarchie in diesem Lande hört, daß

„ukrainische Bäuerinnen sich vor dem Austria-Denkmal niederknieten, das zur Erinnerung an die hundertjährige Herrschaft Österreichs in der Bukowina errichtet worden war, und beteten, es möge die Austria vom Himmel herabsteigen und wieder Uber sie herrschen“.

Dank gebührt Verfasser und Verlag für dieses so bedeutende Werk.

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