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Nestroys "Talisman" am Wiener Volkstheater.

Nein, wir sind nicht in einer modernen Boulevardkomödie oder in einem Feydeau, als ein splitternackter Mann nach missglücktem Liebesabenteuer auf die Bühne tritt - wir sind in Johann Nestroys "Der Talisman" am Wiener Volkstheater. Zu jazzig-schräger Musik hat Michael Schottenberg Nestroys Meisterwerk gegen die "Mauer" Vorurteil - sie dominiert das Bühnenbild von Hans Kudlich - in Richtung Gegenwart inszeniert. Da mutieren "Stadtnerven" zu "Innenstadtnerven", die Gänsehirtin zur Geflügelverkäuferin, der "Bengel" zum "Primitivling" und Nestroys "blumenreiche Bahn" von der Freundschaft bis zur Liebe zu einer "Rutschpartie". Im Bemühen um originelle Regieeinfälle unterlaufen Schottenberg neben einigen Treffern auch unnötige Entgleisungen.

Der prinzipiell für alle Vorurteile stehenden Rothaarigkeit setzt ein eingefügter literarischer Diskurs zum Thema "Heimat" einen aktuellen Akzent hinzu. Wo man wirklich beißende Zeitkritik erwartet - in scharfen Couplet-Zusatzstrophen -, bleibt sie aber leider aus.

Das große Plus der Produktion sind die Darsteller: Toni Böhm (Titus Feuerfuchs) sitzt - vor allem mit blonder Perücke - der Gottschalk im Nacken, Maria Bill (Salome) ist eindrucksvoll natürlich und und bringt sich und Titus unter die - natürlich rote - Haube. Neben einem hinreißenden Witwentrio - die handfeste Erni Mangold (Flora), die kokette Johanna Mertinz (Constantia) und die herablassende Maria Urban (Frau von Cypressenburg) - setzen vor allem Karl Ferdinand Kratzl (Plutzerkern) und Alfred Ruprecht (Spund)trefflich die Pointen. Das Premierenpublikum applaudierte kräftig.

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