Größtmögliche Glaubwürdigkeit

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Als Bruno Ganz 1996 die Nachricht erreichte, dass ihm Josef Meinrad den Iffland-Ring vermacht, war er ebenso erfreut wie erstaunt. Ganz und Meinrad waren einander weder privat noch auf der Bühne begegnet. Meinrad hatte aber Ganz 1972 bei den Salzburger Festspielen gesehen, vor allem dessen Darstellung des Doktors in Thomas Bernhards aufsehenerregender Uraufführung von "Der Ignorant und der Wahnsinnige" überzeugte ihn, Ganz als Nachfolger für diese höchste Auszeichnung der deutschsprachigen Schauspielkunst zu nominieren. Im Ifflandʼschen Verständnis vom Schauspieler als Menschendarsteller, der "Natur und Wahrheit abbilden soll", also größtmögliche Glaubwürdigkeit schafft, lässt sich Bruno Ganz als geradezu idealer Träger des Ringes ansehen. Sein psychologischer Zugang und sein Spielstil orientierten sich stets an dieser Forderung. Die Berliner Schaubühne brachte es mit Bruno Ganz in der Titelrolle von Ibsens "Peer Gynt" 1971 zu einer europaweit gefeierten Theatersensation. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Ganz in Peter Steins bahnbrechender Inszenierung von Goethes "Torquato Tasso" reüssiert, 1972 begeisterte er als Prinz von Homburg. Es folgten zahlreiche weitere Arbeiten mit Stein, u. a. das monumentale 21-stündige Faust-Projekt (2000), wofür Ganz mit dem Berliner Theaterpreis ausgezeichnet wurde. Einen kongenialen Regisseur fand der Schauspieler in Klaus Michael Grüber. In dessen Inszenierung von Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" verkörperte er einen untypischen Oskar. Zu den Höhepunkten seiner Karriere zählte auch "Hamlet" (1982) sowie Handkes "Prometheus, gefesselt", worin er 1986 bei den Salzburger Festspielen großen Erfolg feierte. Mit Grüber war Ganz bis zu dessen Tod 2008 eng verbunden, neben dem Hölderlin-Projekt "Hyperion" beeindruckte er als "Ödipus in Kolonos" (2003) am Burgtheater. Einem breiten Publikum ist Ganz über seine Filmrollen bekannt: In Wim Wendersʼ Kultfilm "Himmel über Berlin"(1987) ist er als Engel Damian zu sehen, internationale Anerkennung erreichte er mit seiner grandiosen Darstellung Hitlers in dem oscarnominierten Film "Der Untergang"(2004). Letzten Samstag starb Bruno Ganz in seinem Heimatkanton Zürich. Die Theater-und Filmwelt verliert mit ihm einen herausragenden Menschendarsteller, der es wie kaum ein anderer verstand, in der Reduktion die Wahrheit zu finden.

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