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JAPANERINNEN SCHREIBEN DEM BOMBENFLIEGER

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Die „Furche“ tom 1. August 1959 veröffentlichte einen Briefwechsel zwischen Günther Anders und dem Bombenflieger Claude R. Eatherly, der sich gegenwärtig in einem psychiatrischen. Militärhospital aufhält. Wir können diesen Briefwechsel heute ergänzen. Wenige Tage vor dem Jahrestag von Hiroshima haben dreißig Japanerinnen aus Hiroshima, die als junge Mädchen die Schrecken von Hiroshima miterlebten und heute noch unter den Folgen der Atombombe leiden, an den Bombenflieger Eatherly geschrieben.

Der Brief lautet in deutscher Liebersetzung:

GIRLS OF HIROSHIMA

c/1 Arden Yamanaka

5—2 Aoyama Kita Machi Minatöku

Tokyo

Maför Claude Eatherly

Waco Veterans-Hospital -'V- .

W a c o, Texas, USA

July, 24 1959

Lieber Herr Eatherly!

Die unterzeichneten Mädchen von Hiroshima grüßen Sie herzlich. Wir alle sind glücklicherweise dem Atomtod entronnen, aber wir wurden in unseren Gesichtern, an unseren Gliedern, an unseren Körpern von der Atombombe verletzt, die im letzten Krieg auf Hiroshima abgeworfen worden ist. Wir tragen noch die Narben der Verwundungen im Gesicht und an unseren Gliedern. Wir wünschen sehnlichst, daß dieses Schreckliche, das Krieg genannt wird, sich niemals wieder ereignen möge, weder bei uns noch sonstwo auf der Welt. Nun haben wir kürzlich gehört, daß Sie nach dem Hiroshima-Ereignis von Ihrem Gewissen gepeinigt und daß Sie deswegen einer psychiatrischen Behandlung unterzogen werden.

Dieser Brief soll Ihnen unser aufrichtiges Mitgefühl übermitteln und Ihnen versichern, daß wir keine Haß- oder Rachegefühle in uns tragen. Sie gehorchten einem Befehl. So taten Sie, was Sie taten, und dachten vielleicht sögar, Ihre Tat würde den Menschen helfen, den Krieg zu beenden. Aber heute wissen Sie. daß Bomben die Kriege dieser Erde nicht beenden. Wir sind mit viel Liebe von Christen in Amerika behandelt worden. Wir haben gelernt, mit Ihnen zu fühlen, und (Fenken, daß ja auch Sie ein Opfer des Krieges sind wie wir. Wir wünschen Ihnen recht baldige vollständige Heilung. Wir wollen uns jenen Menschen verbinden, die sich dem guten Werk verpflichtet haben, die Barbarei des Krieges im Geiste der Liebe und Brüderlichkeit aller Menschen zu überwinden.

Mit herzlichen Grüßen Ihre

(es folgen dreißig Unterschriften)

Dieser Brief ist ein Dokument wahrer christlicher Liebe, die allein dem von Gewissensnot gepeinigten Manne Erleichterung in seinem Leiden bringen kann, und von der Antoine de Saint Exupery einmal sagte, sie sei „die reine Selbsthingabe im Geiste; mit der man im Feinde noch so lange nach dem Freunde sucht, bis er zum Freunde wird".

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