Eine Kollektion von Ölbildern dieses seltsamen Wiener Biedermeiermalers zeigt in diesem Monit dankenswerterweise die Agathori-Galerie am Opernring.
Michael Neder (1807 bis 1882) ist erst seit wenigen Jahren bekannt, obwohl er sein Leben in Wien verbrächt und hier alle seine Bilder gemalt hat; es bedurfte offensichtlich erst der Kenntnis der modernen Primitivsten, um das Werk Neders würdigen zu können. Von Beruf Schustergeselle in Döbling, von Berufung Maler, blieb Nėder sein ganzes Leben und länge nach seinem Tode noch . verkannt, und unbe- kamu;./man weiß,. daß selbst .WaldmüIley zu seiner Zeit seine Bilder heftig ablehnfe.
Und doch — wie stark, selbständig und - eigenartig sind diese kleinen Bilder, ist selbst die kleine Auswahl in der Agathon- Galerie. Einfache, aus dem halb städtischen, halb ländlichen Leben der Wiener Vorstadt des Biedermeier gegriffene Motive zumeist: Heimkehr der Herde, Tanz oder Rauferei im Wirtshaus oder Weinlese. Alles dies mit Schärfe gesehen, bewegt und doch zugleich von einer bisweilen fast unheimlichen Starrheit, so als bestünde für den Maler im Augenblick des Malens die Welt aus nichts anderem als nur seinem Motiv. Man fühlt sich an Breughel erinnert oder an Rousseau — so’ weit von ihnen zeitlich und räumlich der unscheinbare Vorstadtmaler auch entfernt ist.
Man kann verstehen, daß die Bilder Michael Neders von seinen Zeitgenossen nicht geschätzt wurden. Gerade die besten unter ihnen haben mit der üblichen Biedermeiermalerei nichts gemein, weder die Eleganz noch die Lieblichkeit noch das Vergnügen an der halbaristokratischen oder gutbürgerlichen Geistigkeit dieser Zeit; sie kommen aus den tieferen Strömungen dieser Kultur, in denen schon die kommende Hintergründigkeit des Geschehens und die Unsicherheit einer neuen Epoche spürbar werden; sie sind wertvolle Dokumente jenes anderen und dämonischeren Biedermeier, an dessen Rampe ein Nestroy stand.
