Leider mehr schlecht als Brecht

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Konstanze Lauterbachs "Mutter Courage"-Regie war kein Spitzenbeitrag zum Brecht-Jahr.

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Konstanze Lauterbachs "Mutter Courage"-Regie war kein Spitzenbeitrag zum Brecht-Jahr.

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Lassen sich die Schrecken des Krieges "bühnenwirksam" darstellen? Der vielfache Tod, das Übermaß an körperlichem und seelischem Leid, die Verrohung der Menschen? Wenn ja, dann könnte Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", diese "Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg", dafür eine hervorragende dramatische Vorlage bieten. Die Geschichte der geschäftstüchtigen, "Mutter Courage" genannten, Marketenderin Anna Fierling, die im Krieg - von dem laut Brecht der kleine Mann keinen Gewinn erwarten darf - ihre drei Kinder verliert, geht nahe. Besonders tragisch mutet an, daß die Hauptfigur am Ende noch ihren Sohn Eilif sucht, während dessen Tod dem Publikum längst bekannt ist.

Doch wie geht Konstanze Lauterbachs Inszenierung am Wiener Burgtheater mit dem Stück, das im Programmheft nachlesbar ist, um? Mehr schlecht als Brecht. Da wird mit einzelnen guten, aber weit mehr entbehrlichen Einfällen (ob nun einer brüllt, er sei "Deutschlands größter Torwart", oder als Musik "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" erklingt) aufdringlich signalisiert, daß jemand Regie geführt hat. Das mögen gewollte Brechtsche "Verfremdungseffekte" sein, insgesamt wirkt es höchst befremdend. Daß auf der Bühne - im wahrsten Sinn des Wortes, die Zuschauer in den ersten Reihen kamen dabei sogar gehörig ins Husten - viel Staub aufgewirbelt wird, spricht noch nicht für Qualität. So lenkt vieles - ob Frühlingsstimmung mit Schneeglöckchen, Hantieren mit Bügeleisen oder Seifenschaum aus dem Feuerwehrschlauch - eher vom Wesentlichen ab. Am ärgsten ist der Schluß: Da läßt die Regie die Toten wieder erwachen und mit Hurra einer Fahne hinterherlaufen - als ob Kriegsbegeisterung ein ewiges Naturgesetz sei.

Die Akteure, die sich mächtig ins Zeug legen, aber manchen falschen Ton produzieren, scheint mitunter "Mutter Outrage" angeleitet zu haben, in einer Szene auch Josefin Platt (Yvette), die ansonsten neben Ute Springer (Kattrin) und Roman Kaminski (Feldprediger) die stärkste Leistung bietet. Therese Affolter (Mutter Courage) spricht sehr schön, versäumt aber ob des theatralischen Deklamierens ins Publikum und mancher Pose eine glaubwürdigere Gestaltung ihrer Rolle, während es Hanno Pöschl (Koch), der von einem "Schnitzeleck" träumt, anscheinend vom Wiener Naschmarkt in dieses Stück verschlagen hat. Mit der Zeit wundert einen nicht mehr, warum bisweilen eine von Karl Menrad dargestellte Hexe mit dem Ausruf "Katastrophe!" auf die Bühne stürzt...

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