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Am Leben bleiben

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Wer ist nicht gegen den Krieg? Für ihn sind stets nur gewisse Machthaber, woher sie auch kommen, welcher Couleur sie auch angehören. Sie anzuprangern wäre die Aufgabe eines Antikriegsstücks. Aber in der Chronik aus dem 30jäh-rigen Krieg „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht, die derzeit im Burgtheater gegeben wird, sollen wir nach dem Willen des Autors statt dessen ein armes Weibsstück, die Titelgestalt, verachten. Weshalb? Weil sie sich in Kriegszeiten durch kleine Geschäfte mit den Landsknechten am Leben erhält, nicht verhungern will.

Brecht selbst arrangierte sich zwar nicht mit dem Krieg, sehr wohl aber mit Machthabern, deren politisches Diktat er nicht für richtig hielt. Und, politisch naiv, erklärte er, der Krieg könne abgeschafft werden, indem man den Kapitalismus abschaffe. Auch in dieser Chronik erweist sich Brechts mangelnde Tiefensicht in der Grundauffassung, daß alles Un-zukömmliche, alles Böse beseitigbar sei und man die Welt nur ordnen müsse. Wir sollten aus diesem Stück etwas lernen, obwohl es für uns, die wir nicht zu den Machthabern zählen, nichts aus ihm zu lernen gibt. Die Ohnmacht des Kleinen Mannes sollte die Macht der Mächtigen brechen? Im Gegensatz zu dem, was der Präzeptor Brecht lehrt, ist gerade der menschliche Gehalt ergrei-

fend, der aus so mancher Szene spricht, der Versuch eines Menschen, bei widrigsten Verhältnissen nicht unterzugehen, nicht zu verzweifeln. Hierin ist Brecht Dichter, mag er selbst über diese Wirkung auch verärgert gewesen sein.

Die Inszenierung von Dietrich Haugk folgt weitgehend Brechts Modellinszenierung durch sein Berliner Ensemble, die in dem Band „Theaterarbeit“ auf 57 Seiten ausführlich beschrieben ist. Gespielt wird vor dunklen Vorhängen, die Bühnenbildner Bernd Müller und Jörg Neumann setzen in Einzelheiten eigene Akzente. Das Stück wirkt nicht mehr so unmittelbar wie nach dem letzten Krieg. Um die einzelnen, episch aneinandergereihten Episoden zu binden, bedarf es einer faszinierenden Darstellerin der Mutter Courage. Hilde Krahl fehlt dafür viel zu sehr Härte, die innere Kraft dieser Gestalt, die mit Güte verbunden sein muß. So schleppt sich die Aufführung dahin, fesselt erst richtig in der Szene mit der trommelnden Kattrin. Ida Krot-tendörff erweist in dieser stummen Rolle von Anfang an Ausstrahlung. Herwig Seeböck glaubt man als älterem Sohn der Mutter Courage die Lust am Dreinhauen. Trefflich zeichnen Heinz Reincke den Koch, Klaus Behrendt den Feldprediger, Sonja Sutter die Lagerdirne.

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