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Mutter Courage in Salzburg

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Salzburg hat zu Bert Brecht eine merkwürdige Beziehung. Die Stadt verhalf ihm etliche Jahre vor seinem Tod zur österreichischen Staatsbürgerschaft und ist für diese Aktion, die politisch betrachtet, aus jeder Perspektive mißverstanden werden mußte, ebenso getadelt wie gelobt worden. Nun, Österreich hat keinen Schaden dadurch genommen, Brecht keinen Nutzen davon gehabt, und daß sich Mutter Courage mit ihrem Karren jetzt auch auf der Bühne des Salzburger Landestheaters etabliert hat, hängt gewiß nicht mit dem Staatsbürgerschaftsnachweis zusammen.

„Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg“ nannte Brecht sein Stück und deutete damit schon an, daß er ein Beispiel epischen Theaters geben wollte. Aber was daraus wurde, ungeachtet der ruf Leinwand projizierten Zwischentexte and anderer epischer Elemente, ist ein echtwüchsiges Drama. Die Tragödie des Menschen, der aus keiner Leiderfahrung, nicht einmal aus der zusätzlichen des Krieges, zu lernen vermag, wie verderblich die Verblendung durch den Erwerbsund Besitztrieb ist. Durch das Gleichnis von der Unbelehrbarkeit des Menschen will Brecht belehren, durch das von der Unabstreifbarkeit schicksalshafter Verkettung befreien. Daran allein wird die tragische Paradoxie seines didaktischen Bemühens augenfällig. Daß sie in der Auf

spürbar war und dem Publikum den Atem benahm, dürfen Bühnenbild, Akteure und Regie als Erfolg buchen.

Als Mutter Courage gastierte Roswitha Posselt und überzeugte durch eine sehr intensive Leistung. Sie bewältigte die Riesenrolle, ohne einen Augenblick in der inneren Spannung nachzulassen, und hatte erschütternde Höhepunkte. Dort freilich war sie eher Medea als Courage, wie sie überhaupt die Tragik der Figur zwingender gestaltete als ihre saftige Lebensfülle. Gleich nach Frau Posselt ist die stumme Kattrin der Rosemarie Schrammel mit hohem Lob zu nennen; Ilse Lafka verkörperte mit Schmiß und Vulgarität die Troßdirne Yvette. Eine nicht uninteressante Fehlbesetzung war Siegfried Fetscher, der eher einem abgerutschten Cafehausintellektuellen als einem Feldprediger glich. Gustl Bayrhammer (Koch), Peter Wiegel und Albert Tisai (Söhne der Courage) waren ihren Aufgaben gewachsen. Das Bühnenbild von Eugen Wint- terle hatte die unheilvolle Elendsatmosphäre der Zeit, und man unterdrückte die fällige Frage, ob es gegenwärtig in Salzburg nicht auch einen anderen Bühnenbildner gibt. Curt Bocks Regie war an dem Gelingen erheblich beteiligt; nur manchmal hätte man stärkere Akzente gewünscht.

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