Rastlos und stilbildend

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Auch wenn er nie als Celebrity taugte: Woody Allen gehört zu den wichtigsten Filmemachern, der die Zunft dies- und jenseits des Atlantiks prägte. Robert B. Weide setzt ihm nun mit "Woody Allen: A Documentary“ ein adäquates Denkmal.

Eigentlich sonderbar, dass Woody Allen, der nun schon einige Jahre mehr in Europa als in seiner Heimat filmemachend umherzieht, noch nie in Wien gelandet ist. Man hätte gemeint, dass die Stadt Sigmund Freuds zumindest einen Abstecher des Stadtneurotikers wert wäre. Aber das - bislang - größte Psycherl der Filmgeschichte ließ vor nicht allzu langer Zeit im Interview wissen, die Rahmenbedingungen wären nicht danach, genauer: es gäbe nicht genug Geld dafür. Solches war offenbar in Barcelona, Paris oder - demnächst auch in den heimischen Kinos zu sehen - Rom offenbar vorhanden. Auch wenn also ein Woody Allen mit heimischem Kolorit auf sich warten lässt, darf man sich auf "To Rome With Love“ freuen (davon Näheres zu berufener Zeit, also Ende August). Jetzt aber schon kommt Robert B. Weides "Woody Allen: A Documentary“ in die Kinos, wo man den Altmeister im großen Bogen seines Filmschaffens bewundern kann.

Bogen über alle Woody Allen-Filme

Die Hommage beginnt schon bei der Titelschrift, die bekanntlich zu den kleinen Markenzeichen des Allen’schen Œuvres gehört. Am auffälligsten ist, dass es Weide gelingt, den Bogen über alle Woody Allen-Filme zu spannen - schon eine schiere Leistung, zumal ja seit mehr als 40 Jahren im Schnitt ein Film pro Jahr in die Kinos kommt.

Anderthalb Jahre begleitete Weide die Filmlegende, die sich auch als "Dokumentierter“ so gibt, wie es der Zuschauer erwartet - natürlich glaubt niemand, dass Woody Allens Filme eins zu eins autobiografisch sind. Aber doch scheint er so zu leben und zu denken, wie er selber oder in Gestalt anderer Figuren in seinen Filmen auftritt.

Wer also eine Bestätigung sucht, dass Woody Allen so ist wie der legendäre "Stadtneurotiker“ (1977)oder der verschwindende Autor in "Harry außer sich“ (1998) oder ein erfolgloser Dokumentarfilmer wie in "Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1989), wird in dieser Film-Hommage vieles finden, was ihn in dieser Ansicht bestätigt. Dazu kommt, dass Weide zeigt, welche unnachahmlichen Spuren Woody Allen-Filme hinterlasssen haben - etwa in der Darstellung, dass sich Verbrechen offenbar doch lohnt (eben in "Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ oder "Match Point“, 2005).

Auch die Idee, dass ein Filmheld von der Leinwand ins echte Leben steigt ("The Purple Rose of Cairo“, 1985) oder "Zelig“ (1983), wo er sich selber in historische Film-szenen hineinmontiert, zeigt, wie innovativ er lang vor dem computeranimierten Filmzeitalter war.

Mag sein, dass "Woody Allen: A Documentary“ nicht wirklich Neues bietet. Aber allein die Zusammenschau gepaart mit den Statements der "Zeitzeugen“ von Woody Allens Schaffen ermöglichen einen Blick auf Werk und Person, die überdies in jeder Hinsicht kurzweilig geraten ist.

Wesentlich dabei sind die Interviewszenen mit Letty Arenson, der Schwester von Woody Allen, aber auch die Sichtweise von Regie-Star Martin Scorsese, dessen Aussagen wenig hinzuzufügen ist: "Er kehrt jedes Jahr von Neuem zu uns zurück, erzählt vom Leben, was er tut, was er denkt, wie er sich verändert, wie er sich nicht verändert. Und man mag zustimmen, man mag anderer Meinung sein, man mag ihn oder mag ihn nicht - es spielt keine Rolle. Dies ist eine einzigartige Situation im Kino.“

Neben Wortspenden aller wichtigen Darsteller(innen) der Woody Allen-Filme stechen auch die Analysen des New Yorker katholischen Priesters, Philosophen und Filmkritikers Robert E. Lauder hervor, der unter anderem Woody Allens philosophische Meriten preist.

Ein kreativer Filmemacher

Am Ende der knapp zwei Stunden über Woody Allen ist dem Zuschauer bewusst, wie stilbildend und rastlos dieser bis heute so kreative Filmemacher ist. Er lässt im Dokumentarfilm auch anklingen, dass er gedenkt, dies fortzusetzen, solange es seine Kräfte zulassen. Man darf gespannt sein, welche weiteren Projekte und filmischen Eskapaden dem Hirn dieses Drehbuchschreibers und Regisseurs noch entspringen werden.

Was ihm zum Thema Rom eingefallen ist, kann der österreichische Kinogeher in wenigen Wochen beurteilen (und, soviel sei verrraten: Es ist wieder einmal köstlich und unnachahmlich, was aus dieser kreativen Persönlichkeit da sprudelt).

Vielleicht bleibt ja noch Zeit, dass sich irgendwann auch eine Episode aus oder um Wien herum ausgeht: Ein Blick durch Woody Allens neurotische Brille wäre mehr als reizvoll. Einstweilen muss sich der deklarierte Fan diesbezüglich aber noch gedulden. Oder eben in "Woody Allen: A Documentary“ gehen. Denn zumindest die Vergewisserung, welche Qualität und welche enorme Schubkraft dieser Tausendsassa fürs Kino jenseits und diesseits des Atlantiks darstellt, muss man dem dokumentarischen Zugang von Robert B. Weide auf jeden Fall zubilligen.

Woody Allen: A Documentary

USA 2012. Regie: Robert B. Weide

Polyfilm. 113 Min.

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