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Wahrscheinlich kann man keinen österreichischen Autor so schnell an wenigen Sätzen erkennen wie Julian Schutting. Nicht nur durch ihr konsequent klein geschriebenes Anfangswort und ihre oft unkonventionelle Wortfolge, sondern auch, weil sie alle Möglichkeiten der deutschen Satzgrammatik ausloten, vor keiner Partizipialkonstruktion und keinem komplizierten Konjunktiv zurückschrecken und eine oft abenteuerliche Länge erreichen. Wer Schuttings Texte liebt, erkennt darin seine konsequente Weigerung, alltägliche Sätze zu verwenden.

Gerade darin ist er sich seit seinen Anfängen treu geblieben, und manchmal ist das auch sehr amüsant. Etwa wenn Schutting im "Sprachführer" des Prosabandes "Sistiana" dieses Genre verwendet, um sich Sätze einfallen zu lassen, die von der banalen Richtigkeit der Normsätze durch kleine spitzbübische Veränderungen abweichen, sich jedoch todernst gerieren und gerade dadurch umso mehr ins Witzige kippen.

Aber auch wenn Schutting Literatur, bildende Kunst oder Musik reflektiert, entstehen keine Normsätze oder trockene theoretischen Argumentationen, sondern hochgradig poetische Texte. Musik ist ihm besonders nahe - nicht nur, weil er lebenslang ein fanatischer Operngeher ist, sondern vor allem, weil seine Sprachartistik und seine konsequente Weigerung, zu beschreiben und zu erzählen, mit dem einmalig-vergänglichen Klang der Musik in besonderer Weise korrespondieren.

Eine besondere Fundgrube für Schutting-Sätze ist sein jüngster Roman "Zu jeder Tageszeit", einer einzigartigen sprachlichen Instrumentierung der großen Sehnsucht nach der fernen Geliebten: "so erfüllt sein von dir, daß einen das Glück darüber all den anderen Passanten zuwendig macht und man das, versonnene Lächeln' vor sich hin schauender Jünglinge richtig versteht." Dem Thema Liebe folgt Schutting in vielen Büchern, nicht nur im "Liebesroman" und in zahlreichen Gedichten. "und noch immer vermag mich zu erschüttern das der sogenannten Wandlung folgende Einbekenntnis:, Mysterium fidei' - verwandt dem Glaubensbekenntnis der Liebe", schreibt er einmal.

Wie kaum ein anderer österreichischer Schriftsteller hat Schutting immer wieder auf religiöse Sprache zurückgegriffen; im Gedicht "Bittbriefe an Allmächtige" des Bandes "Flugblätter" mischt er die Formeln politischer Petitionen mit denen von Fürbitten und Litaneien, sodass sie sich gegenseitig relativieren. Und der neueste Band "Katholisch geblieben" (Kyrene Verlag 2007), ist eine Auseinandersetung mit der eigenen katholischen Herkunft und ein sehr eigenständiges Fortschreiben von Gebetstexten.

"Buñuel in Dankbarkeit" ist eine provozierende Kette surrealer religiöser Bilder im Prosaband "Sistiana" überschrieben, die nicht nur für mich eine Befreiung von erdrückendem Glaubensernst darstellte. In der Katholischen Hochschulgemeinde haben wir uns diesen Text vor einem Vierteljahrhundert vorgelesen.

Kennengelernt habe ich Julian Schutting 1989 als Lektor seines Gedichtbandes "Flugblätter"; seither kenne ich die Schutting-Sätze auch aus Briefen und Zetteln. Seine konsequent durchgehaltenen Sätze lassen viele zeitgeistigen Formulierungen alt aussehen. Ein Glück, dass er der Furche seit Jahrzehneten als Autor verbunden ist. CH

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