Stolpern über Skulpturen

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Werner Feiersinger, einer der konsequentesten Bildhauer Österreichs, in der Secession.

Eine schwarze, leicht gebogene Stahlkonstruktion zieht den Blick auf sich. Das fast drei Meter hohe, gitterartige Objekt wirkt in dem weißen hellen Raum bedrohlich. Es erinnert an Abschirmung, an Grenzziehung, an Gefangensein. Betritt man derzeit den Hauptausstellungsraum der Wiener Secession, so ist man zunächst von der körperlichen Präsenz der Stahlskulpturen beeindruckt. Zugleich erscheinen die Objekte, die an Leitern, Schaufeln, Gerüste, Fahnen, Baustellenzäune oder landwirtschaftliche Geräte denken lassen, angenehm beiläufig. Sie sind bewusst gestaltet und strahlen doch die spröde Ästhetik von Arbeitsgeräten einer vorindustriellen Maschinenhalle aus. Die reduzierten Teile haben mehr Nähe zu Designobjekten als zu Skulpturen, entziehen sich letztendlich aber der Benutzbarkeit. Vielmehr sind die Stahlskulpturen einfach da.

Starke Stahlskulpturen …

Selten hat der Hauptraum des 1898 von Joseph Maria Olbrich erbauten Jugendstilgebäudes so ruhig und zugleich so strukturiert gewirkt wie bei dieser Skulpturenausstellung. Bereits auf den ersten Blick merkt man, dass diese Präsentation in Konfrontation mit dem Gebäude und dessen Ästhetik entstand. Gefertigt wurden die riesigen, farbig grundierten Plastiken von Werner Feiersinger - in monatelanger Handarbeit.

Feiersingers Arbeiten sind keine industriell gefertigten Alltagsgegenstände, auch wenn sie auf den ersten Blick so aussehen. Unverkennbar erinnert die Formensprache an die der Minimal Art. Im Unterschied zur minimalistischen Tradition wird die Glätte der Oberfläche, die Ästhetik einer industriellen Fertigung aber immer wieder durchbrochen. In nahezu traditioneller bildhauerischer Manier stehen die gestalterische Verfremdung, das Bearbeiten der Oberfläche und das Schaffen eines neuen Körpers im Zentrum. Dass Feiersingers Objekten oft monatelange zeichnerische und fotografische Recherchen vorausgehen, unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der der Tiroler des Jahrgangs 1966 seit Jahrzehnten seinen künstlerischen Weg geht.

… mit Blick auf Architektur

Kunstinteressierten ist Feiersinger längst kein Unbekannter mehr. Bereits Ende der 1980er Jahre machte er bei Ausstellungen durch überdimensional vergrößerte Alltagsobjekte auf sich aufmerksam - aus fleischfarbenem Kunststoff gegossene Alltagsgegenstände: Baumstammsegmente, Surfbretter, Friedhofsvasen waren damals sein Markenzeichen. In den 1990er Jahren wurden die Arbeiten strenger, anstelle von Polyester trat das Material Stahl und die heute für Feiersinger charakteristische Auseinandersetzung mit Architektur.

Wie sehr seine Objekte von der Beschäftigung mit Ikonen der Architekturgeschichte geprägt sind, zeigen auch die großformatigen Fotos an den Wänden der Secession - es sind ungewohnte Blickwinkel auf legendäre Bauten von Le Corbusier. Auch die gebogene, gitterartige Stahlkonstruktion ist ein Zitat eines Le-Corbusier-Gebäudes: Sie stellt einen Nachbau der Stahlkonstruktion dar, die sich im Eingangsbereich der legendären Villa Savoye in Poissy (1928-1931) befindet, einem der wichtigsten Gebäude der modernen Architekturgeschichte. Auch wenn man die vielen kunstgeschichtlichen, architektonischen und biografischen Verweise von Feiersingers Skulpturen nicht kennt, überzeugen die Werke, da sie die dinghafte Umwelt neu sehen lassen.

Die Feiersinger-Schau zeigt, dass ein Ringen um Möglichkeiten und Grenzen der zeitgenössischen Skulptur in Österreich stattfindet, auch wenn die theoretischen und öffentlichen Diskussionen dies nicht wirklich spiegeln - ganz im Unterschied zu England, Belgien, Holland und Deutschland. Werner Feiersinger ist einer der wenigen zeitgenössischen österreichischen Künstler, der der Bildhauerei treu geblieben ist und zugleich die Möglichkeiten der gegenwärtigen Skulptur größtmöglich auslotet.

So konzeptionell und reflektierend sein bildhauerischer Ansatz auch ist, so vermittelt er doch die Faszination an dem Dreidimensionalen und die körperliche Auseinandersetzung mit dem Material. Sympathisch auch, dass hier jemand weniger durch Selbstdarstellung als durch kontinuierliche Arbeit auf sich aufmerksam macht. Gleichermaßen bescheiden ist Feiersingers Skulpturenbegriff, den er auf einer Betrachtung des französischen Schriftstellers Charles Baudelaire aufbaut: Skulptur sei das, worüber man stolpere, wenn man zurücktrete, um ein Bild anzusehen.

WERNER FEIERSINGER

Secession

Friedrichstraße 12, 1010 Wien

www.secession.at

Bis 13. 4. Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr

Katalog dt./engl. mit einem Text von Barbara Steiner, Verlag Walter König, Köln 2008, 64 Seiten, € 11,50

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