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Die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa sind historisch nicht problemlos. Schließlich haben zunächst die Araber 300 Jahre lang versucht, Europa über die Westachse, über Spanien und Frankreich, zu erobern, dann sind die Türken 400 Jahre lang gegen Europa angerannt, über den Balkan und Ungarn. Das riesige Osmanische Reich war eine gewaltige Gegenmacht, im Konflikt mit einem zerrissenen Europa. Erst im frühen 20. Jahrhundert die Kehrtwende: Bagdadbahn, Mustafa Kemal; dann Modernisierung und Säkularisierung.

Was Premierminister Erdogan damit bezweckt hat, den tausenden Türken bei seinem Wien-Besuch zuzurufen, sie seien die Erben Sultan Süleymans, jenes Heerführers, der mehrfach Ungarn verheert hat, und der 1529 vergeblich gegen die Mauern Wiens angerannt ist, und Kara Mustafa Paschas, dessen Angriff 1683 vor den Toren der Stadt gescheitert ist, bleibt wohl unerklärlich. Es dürfte ihm nicht verborgen geblieben sein, dass manche befürchten, nach den jahrhundertelang währenden militärischen Versuchen könnte die nunmehr laufende Bevölkerungsverschiebung als neuer und diesmal erfolgsträchtiger Versuch interpretiert werden, Europa zu "übernehmen" - auf friedlichem Wege. Erdogans Aufforderung an die heimischen Türken: "keine Assimilation"; die Umkehr der Türkei zur forcierten Reislamisierung, in Zeiten eines militanten Islams, der vom Irak bis Nigeria Schaudern hervorruft; der Umbau der Türkei zu einem autoritären Staat -das alles kann sich zu einem Syndrom des Misstrauens fügen.

Ein junger türkischer Österreicher hat vor zwei Jahren ein Buch geschrieben: "Wir kommen!" Er hat ja in Anbetracht der heimischen Geburtenrate, die gerade noch zum Aussterben taugt, nicht unrecht. Die Anhänger Erdogans feiern diesen als "Sultan der Welt". Das ist immerhin eine Übertreibung.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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