Bis die Gelenke knacken...

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Die Folter ist heutzutage in den meisten Ländern geächtet. Doch einst war sie legales Mittel zur Beschaffung von Information.

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Die Folter ist heutzutage in den meisten Ländern geächtet. Doch einst war sie legales Mittel zur Beschaffung von Information.

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Die Folter ist ein trauriges Beispiel dafür, wohin die Verirrungen des menschlichen Geistes unter Berufung auf einen höheren Zweck führen können. Die institutionalisierte Folter hatte über Jahrhunderte im Kriminalprozeß große Bedeutung. Sie diente als Instrument, ein Geständnis zu erlangen - und dieses war der wichtigste Beweis im Prozeß. Es galt der Satz: Confessio est regina probationum. (Das Geständnis ist die Königin der Beweise).

Wer an Rechtsgeschichte oder an der Geschichte der Strafrechtspflege Interesse hat, sollte die Gelegenheit wahrnehmen, auf der Burg Schlaining, dem Sitz der internationalen Gesellschaft für Friedensforschung, die Ausstellung "Hexen und Rechtsprechung vom Mittelalter bis heute" zu besichtigen: eine eindrucksvolle Schau, bei der allerdings die Abgrenzung zum (für unsere Verhältnisse unvorstellbar grausamen) Strafvollzug etwas zu wenig herausgekommen ist.

Der Ursprung der Folter ist bereits in der griechischen und römischen Antike zu finden. Sie diente schon damals als legales Mittel zur Beschaffung von Informationen und Geständnissen. Mit der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion unter Kaiser Konstantin verschwand die Folter im Imperium Romanum fast zur Gänze.

Im germanischen Recht gab es ursprünglich keine Folter, es herrschte wie im modernen Strafprozeß das Prinzip des Zeugenbeweises. Im Laufe der Zeit veränderte sich die Rechtssprechung insofern, als der Verdächtige unter allen Umständen zu einem Geständnis gebracht werden mußte, wenn man ihn nicht auf frischer Tat ertappt hatte. Daher wurde die Folter wieder eingeführt und in diversen germanischen Gesetzeswerken wie etwa der Lex Salica oder der Lex Baiuwariorum verankert. In den Prozessen gegen Hexen (sogar noch im 18. Jahrhundert!) und Ketzer erreichte die von der katholischen Kirche angewendete Folter ihren Höhepunkt. Der Vorgänger unserer heutigen Glaubenskongregation war schließlich die (durchaus unheilige) "Heilige Inquisition". Es ist daher äußerst erfreulich zu erfahren, daß die römisch-katholische Kirche in ihr großes Schuldbekenntnis, das vermutlich im Jahr 2000 abgelegt wird, die Verantwortung für die Inquisition einbeziehen wird Noch in der Constitutio Criminalis Theresiana aus 1768 wurde die Folter unter Einhaltung bestimmter Regeln für zulässig erklärt. Erst durch den Einfluß Josef von Sonnenfels, einem führenden Gelehrten des 18. Jahrhunderts ("Polizeywissenschaft"), wurde unter Josef II. Folter und Todesstrafe aufgehoben. Letztere wurde allerdings später wieder eingeführt.

Dem Einfallsreichtum der Folterer waren keine Grenzen gesetzt: Die Folterbank gehörte zum eisernen Bestand jeder Folterkammer. Im Laufe der Verhöre (1., 2. und 3. Grades) wurde das Oper in die Länge gezogen, bis sich die Gelenkte hörbar voneinander gelöst haben; eine unvorstellbar gräßliche Methode, Geständnisse zu erzielen. Gleich zu beginn der Ausstellung sieht der Besucher eine Nachbildung der eisernen Jungfrau von Nürnberg (das Original wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe vernichtet), die an der Innenseite mit Eisenzacken ausgestattet war, sodaß das Opfer durchbohrt wurde. Nicht zu übersehen die - auch in die Alltagssprache eingegangenen - Daumenschrauben, das Rad, welches bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts zur Hinrichtung diente, und der "Beichtstuhl", ein hölzerner Armsessel, der im Rücken, Sitz, auf den Armlehnen und dem Fußbrett mit Eisenspitzen versehen war.

Ein anderer Auswuchs sadistischer Phantasien ist die "Schädelknacke", die auch heute noch von Militärdiktaturen bei Verhören verwendet werden soll - allerdings angeblich gefüttert, sodaß keine sichtbaren Spuren hinterlassen werden - Schandmaske, Pranger, Guillotine und "hängender Käfig" runden das grauenvolle Bild ab.

Trotz Antifolterkonvention der UNO und der vom Europarat verabschiedeten "Europäischen Antifolterkonvention", gehört die Folter leider auch heute noch zur oft bestrittenen Alltagspraxis diverser Diktaturen in Ost und West. Es ist das Verdienst von Amnesty International, diese Unrechtsregime publizistisch an den Pranger zu stellen. Nur das beharrliche Eintreten für den liberal-demokratischen Rechtsstaat und die Absage an alle extremen Ideologien bieten Gewähr, daß die Folter immer mehr zurückgedrängt wird.

Bis 31. Oktober Burg Schlaining/Burgenland Tel.: 03355/2626

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