Nutzen statt Gewinn, Zusammenarbeit statt Konkurrenz

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Die Krise macht’s möglich: Ein verstaubter Begriff erhält neuen Glanz: „Solidarität“. Auf die Wirtschaft angewandt, gelangt man zur Solidarischen Ökonomie (SÖ). Unternehmungen dieser Art gibt es seit Jahrhunderten (z. B. die Genossenschaftsbewegung), doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es in Zusammenhang mit dem Siegeszug der Wachstums- und Profitmentalität still darum. Heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen.

Solidarische Ökonomien haben viele Gesichter und Facetten, vom Tauschgeld zum Fairen Handel, vom ethischen Bankwesen zur Gratisökonomie, es gibt sie in Bildung und Wissenschaft, in der Gesundheitsversorgung und bei Wohnprojekten.

Mit dem Beginn der Weltsozialforen – das erste wurde 2001 in Porto Alegre, Brasilien, organisiert – erlebte auch der Begriff der Solidarischen Ökonomie eine Renaissance. Bei jedem dieser Massentreffen der globalen Zivilgesellschaft wird dieses Konzept eines anderen Wirtschaftens und Lebens weiter entwickelt. Vor allem als Alternative zur damals noch intakten Weltherrschaft des Neoliberalismus.

Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen SÖ und der kapitalistischen Logik ist die Orientierung auf den Nutzen statt auf den Gewinn, auf Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe statt auf Konkurrenz und Profitmaximierung. Die Solidarische Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht die Menschen für die Wirtschaft.

Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe

„Die Solidarische Ökonomie ist eine zivilisatorische Antwort der Menschen, um neue ökonomische Strukturen auf neuen Werten aufzubauen. Sie ist ein contra-hegemoniales Projekt“, erklärt der Brasilianer Mauricio Sardá de Faria auf dem internationalen Kongress zum Thema, der vergangenes Wochenende mit 800 Teilnehmern aus allen Regionen der Welt an der Universität für Bodenkultur in Wien stattgefunden hat. Sardá de Faria ist Koordinator im brasilianischen Staatssekretariat für Solidarische Ökonomie, das im Arbeitsministerium angesiedelt ist. Brasilien ist weltweit das führende Land bei der Unterstützung und Förderung solidarwirtschaftlicher Initiativen, wo Armutsbekämpfung und aktive Arbeitsmarktpolitik unter solidarischen Vorzeichen stattfindet. Es gibt bereits an die 20.000 Initiativen dieser Art, in die über drei Millionen Menschen eingebunden sind. Durch ihre Konzentrierung auf regionale Wirtschaftskreisläufe ist die SÖ auch eine eminent ökologische Ökonomie. Durch die familiäre oder genossenschaftliche Produktion und die Direktvermarktung in der Region werden lange Transportwege vermieden.

Auch auf das verrückte System, dass unsere Kleidung des täglichen Bedarfs, etwa Blue Jeans, auf dem Weg zur Fertigstellung um den halben Erdball reisen und für die einzelnen Produktionsschritte die billigsten Standorte gesucht werden, gibt es solidarwirtschaftliche Antworten. Einmal der Faire Handel und ähnliche Initiativen mit ökologisch und sozial hergestellten Produkten und dann die „Umsonstökonomie“. Immer mehr Kost-Nix-Läden entstehen, wo Menschen Gegenstände, die noch in Ordnung sind, doch von ihnen nicht mehr gebraucht werden, in den Laden bringen, wo sie andere ohne irgendeine direkte Gegenleistung abholen können.

Die verschiedenen Krisen der Weltwirtschaft haben sicherlich zum großen Interesse an diesem Kongress und seinem Thema beigetragen. Es herrschte allgemeine Übereinstimmung darüber, dass die Zeit reif sei, das vorherrschende Wirtschaftssystem mit seiner einseitigen Profitorientierung und Ellbogenmentalität durch eine Ökonomie im Dienste der Menschen abzulösen.

www.solidarische-oekonomie.at

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