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Auf der Suche nach der Wirklichkeit des Malers

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Virtuosität, Ungezwungenheit und Charme — Eigenschaften, die so verführerisch sind, daß man ihnen leicht erliegt und dabei Gefahr läuft, das Wissen, die Kühnheit und die Tiefgründigkeit, die sich dahinter verbergen, zu übersehen.” Dies führt der Kunsthistoriker Bernard Dorival zu Raoul Dufys Werken an. In der Tat erliegt man leicht dem Charme der leuchtenden Bilder des Künstlers aus Le Havre, wenn man durch die kühlen Bäume des Kunst-HausesWien flaniert.

Das KunstHausWien lädt ein zum Bendevous mit über hundert Werken des französischen Malers Baoul Dufy (1877-1953). Claude Monet hat sich zwar inzwischen im Blevedere von Wien verabschiedet, doch auch hier hat er seine Spuren hinterlassen, nämlich in den frühen Werken Dufys. Dies läßt sich zum Beispiel bei dem Bild „Der Hafen von Le Havre in der Abenddämmerung” (1900) feststellen.

„Wehe dem, der fernab des Meeres lebt oder nicht einmal in den Genuß der schillernden Gewässer eines Flusses kommt!”, so Baoul Dufy, der am 3. Juni 1877 in Le Havre in der Nor-mandie geboren ist. Als eines von neun Kindern wurde er mit elf Jahren in einem Kaffeeimporthaus untergebracht. 1892 beginnt er zu malen, zunächst mit Abendkursen an der Städtischen Zeichenschule. Acht Jahre später bekommt er ein Stipendium von der Stadt Le Havre und zieht nach Paris, wo er sich an der Ecole des Be-aux Arts einschreiben läßt. 1909 reist er mit seinem Freund Othon Friesz nach München, doch dort kann Dufy nicht arbeiten, „es wurde zur Pflicht”, denn er braucht das Meer.

Um 1903 befreit er sich sukzessive von seinen früheren Vorbildern Vincent van Gogh und Claude Monet.

Erst durch seine Auseinandersetzung mit Matisse verliert der Impressionismus für ihn an Attraktivität. Seine Bilder werden leichter. Doch ist diese Leichtigkeit ist eine schwer erkämpfte. Theorie ist für ihn wichtiger als man seinen Bildern auf den ersten Blick entnehmen kann. Dufy setzt sich intensiv mit den Forschungsarbeiten des Chemikers Jacques Maroger auseinander, der das Labor im Louvre leitete.

Marogers Versuche zur Vorbereitung des Malgrundes tragen dazu bei, daß Dufy eine Technik entwickelt, die seinen Bilder diese typische Leichtigkeit vermitteln. Ein ausführlicher Briefwechsel zwischen Dufy und Maroger aus den vierziger Jahren legt Zeugnis ab von einer intensiven Auseinandersetzung des Künstlers und des Theoretikers mit der Erforschung einer neuen Maltechnik.

Dufy arbeitet ständig an einer Verbesserung seiner Kunst. Besonders die Maler des Cinquecento wie Tintoret-to und Veronese üben eine große Faszination auf ihn aus. Das Material war für ihn besonders wichtig, wie er im Gespräch mit Paul Courthion äußerte: „Im Grunde hängt in der Malerei alles von der guten Vorbereitung des Materials ab.” Und dabei halfen ihm die Forschungen Marogers. Seinen Briefen an den Künstler sind Anleitungen zu entnehmen, die von der Vorbereitung der Leinwand, der Herstellung des Öls und anderem berichten, die Dufy für seine Arbeit umzusetzen versteht.

Von 1905 bis 1906 malte Dufy am Strand von Saint Adresse in der Normandie: „Bis zu jener Zeit hatte ich Strände in der Art der Impressionisten gemalt, und ich war an einem Punkt der Sättigung angelangt. Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus; ich nahm meinen Malkasten und ein einfaches Stück Papier und ging hinaus. Vor einem beliebigen Strandmotiv machte ich Halt und betrachtete meine Farben und Pinsel. Wie könnte ich damit nicht wiedergeben, was ich sah, sondern meine Wirklichkeit?”

Es sind immer wieder dieselben Elemente, die eine große Bolle spielen, das Meer, der Wind und das Fenster, das sich auf Himmel und Meer öffnet. In dem Bild „Das Atelier mit Frachtschiff” (1949) sind all diese Elemente vereint. Dufy malte sein Atelier in Perpignan an der Place Arago (Südfrankfreich). Die Frileuse, eine Gipsfigur, die gelbe Konsole im zweiten Raum, von der auch ein Bild ausgestellt ist, und rechts auf der Leinwand das Schwarze Frachtschiff. Der schwarze Frachter ist ein häufiges Motiv bei Dufy. Inmitten der hellen, leuchtenden Farben steht der schwarze Frachter, ein Symbol für die Gegenwart des Bedrohlichen, des Schmerzes für die Krankheit des Malers.

Anfang der zwanziger Jahre entsteht das Bild „Stilleben mit Fischen und Früchten”, einem Schlüsselwerk in der Entwicklung Baoul Dufys. Indes der Titel führt den Betrachter in die Irre, bezieht er sich doch nur auf die untere Hälfte des Bildes, das von dem Fenstersims geteilt wird. Das Eigentliche dieses Werks ist der Blick aus dem Fenster. Die klassische Perspektive ist aufgehoben. Und dennoch: steht man davor, lädt der Feldstecher im rechten unteren Band dazu ein, in die Hand genommen zu werden und mit ihm aus dem Fenster auf das Meer zu blicken.

So lassen gerade die Meer-Bilder Dufys den Betrachter im besten Wortsinne teilhaben. Nicht länger steht man außerhalb des Bildes, sondern ist einer von jenen, die am Strand promenieren oder verweilen, die Schiffe beobachten, das Glitzern des Meeres betrachten und sich den Wind ins Gesicht blasen lassen. Dazu lädt die Ausstellung im KunstHaus Wien ein.

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