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Digital In Arbeit

Digital durch das Mostviertel

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Ungezähmte Phantasie: Wer 1000 Jahre Österreich in einem Jahr erleben will, muß heuer nach Niederösterreich, wo man sogar digital wandern kann.

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Ungezähmte Phantasie: Wer 1000 Jahre Österreich in einem Jahr erleben will, muß heuer nach Niederösterreich, wo man sogar digital wandern kann.

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Genau 1000 Jahre werden m 1 es am 1. November die-■ ses Jahres sein, (daß Kaiiser Otto III. der Bischofs-I kirche von Freising einen Hofsamt 30 Königs -hufen (tausend Hektar) Land schenkte, in einer Gegend, „die in der Volkssprache ,Ostarrichi' heißt". Das große Fest dazu hat bereits am 1. Jänner in Neuhofen begonnen (FüRCHE-Dos-sier in Nr. 1/1996), wo es am Silvestertag dieses Jahres auch beendet werden soll. Die Zeit bis dahin ist prall gefüllt'mit kulturellen, kommerziellen und sportiven Veranstaltungen.

Auf mehr als 200 Termine kommt allein die Broschüre „1000 Jahre Ostarrichi in Niederösterreich", die die Kulturabteilung der niederösterreichischen Landesregierung herausgegeben hat. Darunter finden sich allerdings etliche Veranstaltungen, die nicht unmittelbar mit dem Millennium zu tun haben: Theater- und Konzertaufführungen oder etwa die Kremser Ausstellung „Zeitgenössische und traditionelle Kunst in Afrika". Und beim „Viertelstreffen" des Österreichischen Kameradschaftsbundes, das die Broschüre ebenfalls anführt, wird es wohl eher um ein tausendjähriges Reich gehen, das nur wenige Jahre Bestand hatte.

Zentrales Ereignis der Millenni-umsfe^ern ist die Länderausstellung „Ostarrichi bis Österreich 996 bis 1996 - Menschen, Mythen, Meilensteine", die von 4. Mai bis 3. November an zwei Schauplätzen zu sehen ist: am „Ort des Anlasses", in Neuhofen an der Ybbs, und in St. Pölten.

Der erste Ausstellungsteil ist in Neuhofen angesiedelt. Hier wird zunächst im Ostarrichi-Kulturhof das historische Umfeld gezeigt, in dem die berühmte Urkunde entstand: das Europa um das Jahr 1000. Selbstverständlich dabei, wenn auch wahrscheinlich nur während dreier Monate der sechs Monate dauernden Ausstellung, ist das Original der Urkunde, das ansonsten im MMMMMMMMim bayerischen Hauptstaatsarchiv in München liegt. Ein weiterer Schwerpunkt in Neuhofen ist die Geschichte des

Namens und des Begriffs. „Österreich" von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hier wird die Geschichte und Entwicklung der heutigen Bundesländer nachgezeichnet.

In der Pfarrkirche von Neuhofen wird der große Themenkomplex katholischer Glaube und Identität vorgestellt. Der Bogen reicht von den Stationen „Heilige Orte und Herrschaft" über „Herrscherund Heilige" und die „Pietas Austriaca zu heiligen Orten und Gemeinschaft" bis zu „Religion und Rjegion".

Der zweite Teil der Schau in der St. Pöltener Ausstellungshalle setzt völlig andere Akzente. Hier geht es folgerichtig um die zweite Hälfte des Titels der Schau, um Menschen, Mythen und Meilensteine. So werden herausragende Persönlichkeiten von Kaiser Franz Joseph bis Annemarie Moser-Pröll per Computer-Animation zu den Besuchern sprechen.

Über die „Straße der Symbole" -Fahnen, Wappen, Uniformen, Kronen utid Andenken - führt der Weg in die eigentliche Ausstellungshalle. Diese ist der Darstellung von Mythen und Antimythen gewidmet. Dabei handelt es sich um positive und negative Klischees über Österreich. Der Mythos vom katholischen, gegenre-formatorischen und antirevolutionären Österreich wird hier ebenso veranschaulicht wie die völkerverbindenden, wissenschaftsträchtigen und kulturellen Strömungen oder aber die „finsteren Mythen" von Völkerkerker und Antisemitismus.

Unter dem Titel „Meilensteine" werden dann einerseits nochmals bedeutende Österreicher und ihre Leistungen hervorgehoben; daneben bietet die Ausstellung eine Auswahl aus den wichtigsten Urkunden zur Geschichte Österreichs aus dem Archiv der österreichischen Staatsbildung. Den Abschluß bieten Reden über Österreich von Grillparzer und Wildgans bis zu Handke und Bernhard.

Abseits der Länderausstellung ist in Neuhofen natürlich jede Menge los. Am 18. und 19. Mai findet ein großes „Österreich-Fest" statt. Der 7. Juli bringt den Höhepunkt der kulturellen Veranstaltungen der Region, den großen Mostviertel-Festzug: Von mehreren Orten aus bewegen sich geschmückte Wägen, die alle einem unterschiedlichen Themenschwerpunkt gewidmet sind, auf Neuhofen zu. Dort formieren sie sich zu einem gemeinsamen Konvoi mit Fußgruppen und Gespannen zum Festzug.

Am höchsten Marienfeiertag, dem 15. August, findet eine Goldhaubenwallfahrt nach Neuhofen statt. Drei Tage später brechen besonders sportliche Festgäste zum „Mostarrichi Radmarathon" auf. Im Juli treffen sich die Liebhaber alter Automobile ________ zur Millenniumsfahrt der Oldtimer, und der Sängerkreis Alpenvorland lädt zu einer Or-. gelfahrt mit Besuchen in Ga-ming, Sonntagberg, Seitenstetten und Ardagger ein.

Dem Motto „Millennium - Cir-censium" hat sich das heurige niederösterreichische Donaufestival verschrieben, das vom 14. Juni bis 7. Juli neben den Festspielorten St. Pölten und Krems donauauf- und abwärts in Niederösterreich gastieren wird. Inhaltlich spannt sich der Bogen von Theater zu Tanz und Musical, von Zirkus zu Spektakel und von der Kleinkunst zur bildenden Kunst. Der thematische Schwerpunkt ist der „Mythos Donauraum Österreich": eine Betrachtung Österreichs „von innen" durch heimische Künstler und „von außen" durch internationale Gäste aus Ländern, die mit der heimischen Geschichte in enger Verbindung stehen.

Im Erlauf- und im Ybbstal präsentieren sechzehn Gemeinden entlang der historischen niederösterreichischen Eisenstraße zahlreiche Themenwege, die den Besuchern die Geschichte der Eisenerzeugung näherbringen sollen. So wurde in Waidhofen an der Ybbs ein Stadtwanderweg eingerichtet, der die Entwicklung vom Eisengewerbe zur Industrie veranschaulicht. " Die Schmiedemeile in Ybbsitz zeigt den Besuchern auf mehreren Kilometern kleingewerbliche eisenverarbeitende Produktionsstätten, die zum Teil noch aktiv sind. In Hollenstein erfährt man über die Bedeutung des Transports für die Zulief erberei-che der Eisenverarbeitung.

Die Ausstellung „Der Most und sein Viertel" im Neuhofner Gasthaus „Ostarrichi-Stuben" faßt Sehenswertes aus der Region Mostviertel und Ei-senwurzen zusammen. Per CD können die Besucher digital durch das Mostviertel wandern. Eine eigene Wanderausstellung soll in allen Bundesländern für die Tourismusregion Mostviertel werben.

Neben allen kulturvermittelnden Aspekten des Millenniums Jahres soll ja auch die Wirtschaft der Region angekurbelt werden. Nicht nur die Tourismusbetriebe erhoffen sich ein gutes Geschäft - auch andere Branchen wollen an der tausendjährigen Geschichte Österreichs mitnaschen.

So hat eine Amstettner Modistin aus Kaninchenhaar und Schafwolle einen eigenen Ostarrichi-Hut kreiert, der die Mütze des Bischofs von Freising abbildet und in 16 verschiedenen Farben erhältlich ist. Die Molkereigenossenschaft Waidhofen an der Ybbs wiederum ließ sich die Markenbezeichnung „Ostarrichi" für ihre Käseprodukte schützen. Die bunte Palette ergänzen die Ostarrichi-Krawatte, der Ostarrichi-Taler in Platin, der Ostarrichi-Wein, das Ostarrichi-Menü, der Ostarrichi-Kletzenstollen und das Kaiser Jubiläumsbräu „1000 Jahre Ostarrichi-Österreich" der Österreichischen Brau AG.

Im Ausland wird das Millennium im übrigen auch vom sogenannten Ostarrichi-Trommler beworben. Es ist dies ein Mann in der schwarzweißen Kutte der Benediktinermönche. Daß der Ordensmann gemeinsam mit einer „Miß Ostarrichi" auftritt, zeigt, wie viel sich in den vergangenen tausend Jahren in Österreich geändert hat.

Interessierte können die Veranstaltungsbroschüre „1000 Jahre Ostarrichi in Niederösterreich" bei der Kultwabteilung der niederösterreichischen Landesregierung, 1010 Wien, Herrengasse 9, Tel: 53UOß 108 bestellen

Der Autor ist

freier Mitarbeiter der Furche.

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