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Frühe Temperabilder Rubins

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Seine Veranlagung zwang Alfred Kubin, den jetzt 73jährigen, schon als jungen Menschen, das Mikroskop seiner Seelen- und

Verstandeskräfte in die Tiefe 3er Erscheinungen zu versenken; er wurde ein vom Durst nach Wissen und Wahrheit Getriebener, von seinen geheimnisvollen Erkenntnissen Gepeinigter. Er spürt die Allgegenwart alles jemals Geschaffenen, Millionen Jahre sind ihm nicht mehr als ein Augenblick. Während das technische Zeitalter seinem Zenith zustrebt, von der Ratio genarrt, erlöst Kubin in den Jahren 1905 bis 1908 seine glühende Gedankenwelt in einer Reihe von in graubraune Töne eingebetteten farbigen Temperabildern, die künftige Entwicklung zahlreicher sensibler bildender Künstler, die Motivierungen des Surrealismus und der Abstrakten vorwegnehmend. Er hat diese Werke über vier Jahrzehnte lang nicht gezeigt; jetzt werden sie während der Festspielzeit in der Galerie Welz- Salzburg neben einer Auswahl seiner berühmten Federzeichnungen erstmalig ausgestellt. Damals, 1905, wurden diese Arbeiten wohl mißdeutet, damals ahnte niemand, daß zwei Weltkriege bald die Hohlkugel menschlicher Eitelkeiten zerschlagen und ein Heer von aufgerissenen Seelen übriglassen würden, aufgetan dem Raunen der Tiefe und dem Anruf des Jenseits. Furchtlos wie ein Forscher hielt Kubin in diesen Temperas seine Gesichte fest, aus einem Urgefühl für die Brüderlichkeit der anorganischen mit der organischen Welt, die erst ein Menschenalter später in der jüngsten Atomforschung aufgedeckt werden und in das Bewußtsein der Menschheit dringen sollte. So entstanden Abbildungen von Urlebewesen, phantastisch schillernde Gallerten, in die kristallinische Drusen eingebettet sind, es entstehen in warmen Wassern kreisende Spiralnebel ersten pflanzlichen Lebens, erschreckend einsam in scheinbar vernunftloser Selbstgenügsamkeit. Ohne fromme Zuversicht freilich und auf peinigende Art zukunftsträchtig bis zu der Fülle von Erscheinungen späterer Jahrmillionen, denen sie in aufblitzendem Erinnern Dämonen und Gespenster überliefern sollen, welche Menschen bedrängen und Tiere im Schlaf aufschreien lassen. Damals wie heute zeigt sich Kubin als ein durch seine Arbeit in Balance Erhaltener. Als einzige Malwerke seines Schaffens runden die Temperabilder Kubins Erscheinung nach einer mehr philosophisch schürfenden als malerisch schöpferischen Seite hin, genugsam Aufsehen erregend, ab.

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