DIE BITTEREN TRÄUME. Roman von Max Aub. Piser-Verlag, München. 384 Seiten. Preis 18.50 DM.
In die Wurzelgründe der bitteren Träume führt, mit der Befugnis des Älteren, Aub. Sein klarer, ruhiger Stil, erzwungen zur Bändigung eines brennenden Herzens, führt uns in das für ihn epochale Ereignis des spanischen Bürgerkrieges, auf die republikanische Seite. Als Sohn eines Deutschen in Paris geboren, nach Spanien erst als Elfjähriger kommend, bringt er so viel Fremdblick mit, daß die Plastizität seiner Schau gegenüber tausend Details schärfer ist als die der spanischen Autoren, die über dasselbe Thema handelten. Doch nicht das breit angelegte, in jedem Augenblick menschlich packende Gemälde der Zeit erschüttert uns heute so sehr, als vielmehr das Abbild einer europäischen Geistsituation, für die dieser Bürgerkrieg ein Modellfall, ein Modellfall im Zustand der Explosion, war.
Letztlich prallt hier revolutionärer, fortschrittlicher Idealismus mit bewahrendem, relativierendem Konservativismus zusammen. Eine drastischere Formel für die kaum überwundene hinter uns liegende Epoche läßt sich nicht geben. Es ist der idealistische Fehlglaube an ein heroisiertes Menschenbild allzu bekannter Prägung, der zum Aufmarsch der revolutionären Armeen führt (in Spanien wie anderswo). Und es ist die Notwendigkeit des Änderungszwanges in einer mit un- terhöhltem Weltbild sich fortschleppenden Generation, der reine Menschen aus allen Richtungen der Windrose in die (geistig bereits verlorenen) Haufen der Revolutionierenden treibt. Diese wahre Tragödie des Bürgerkrieges ist noch nicht geschrieben worden, zu sehr waren die einzelnen auf beiden Seiten engagiert, zu sehr an den Augenblick und seine wuchernden Phänomene, ausgeformt in totaler Hingabe der Besten, in aberwitzigen Greueln der Besessenen, preisgegeben. Auch Aub schreibt die eigentliche Tragödie nicht, die darzustellen hätte, wie beide Parteien für Gottheiten streiten, deren Geist längst aus dem Inneren ihrer kultischen Monumente sterbend davongeschlichen sind. Doch sie blitzt in seinem Werk, das allein dadurch bleibenden Wert erringt, an vielen Stellen durch die Ritzen des Geschehens wie ein verborgenes Kleinod auf.
