Hitlers Kriminaldirektor

Der Verfasser hat einstmals durch seine beiden blendend geschriebenen, jedoch in manchen Aussagen nun durch die neuere Forschung korri- gierten Bucher die Bemiihungen der Historiker um eine Geschichte des Dritten Reiches unterstiitzt. Im vor- liegenden Band geht es ihm um die Gestalt seines hingerichteten Freun- des, des Reichskriminaldirektors und SS-Gruppenfiihrers Arthur Nebe, der im Zuge der Untersuchungen nach dem 20. Juli 1944 als Mitver- schworer hingerichtet wurde. Nebes Tatigkeit im Kreise dieser Erhebung ist oft entweder verschwiegen oder sehr unkritisch dargestellt worden, da es sich um das Phanomen eines hohen SS-Fiihrers handelt, der aus der Stellung seines Amtes heraus in die Reihen der Opposition geriet, um mehr und mehr zum Konspirator gegen das System zu werden, das er urspriinglich bejahte. Dabei ist Nebe keine Einzelerscheinung, wenn man bedenkt, daB der Berliner Polizeipra- sident Graf Helldorf ein hoher SA-Fiihrer war, wahrend der so wie Helldorf hingerichtete Oberprasident Fritz von der Schulenburg der SS angehbrte — und beide das gleiche Schicksal wie Nebe erlitten. Der Verfasser versucht, an Hand von ein- zelnen Tatbestanden stufenweise Nebes stilles Mitwirken im System eines Widerstandes innerhalb der eigentlichen Machtapparatur eines totalitaren Staats- und Polizeisystems beispielhaft aufzuzeigen und kommt v i us. Droemersche Verlagsanstalt AG, mit Recht zu dem SchluB, daB der 20. Juli 1944 gewissermaBen derEnd- effekt vieler schon friiher anlaufen- den Versuche war. Diese Versuche be- ruhten immer auf dem Streben von Kreisen der hohen Beamtenschaft, der Juristen, der Angehorigen des Nachrichtendienstes um Canaris, den Weg zum Abgrund durch Einzel- untemehmungen zu verstellen, um einer zukiinftigen Losung den Weg zu ebnen, wobei eine solche Losung ohne die Mitwirkung der Militars unmoglich war.

Der Gegensatz zwischen der poli- tisch-administrativen Gruppe um Goerdeler, Gisevius usw. und den reinen Militars tritt deutlich in Er- scheinung, und dieser Gegensatz hat ja bekanntlich den 20. Juli 1944 bis in die letzten Verastelungen mitbe- stimmt. Nebes Tatigkeit in der ober- sten Hierarchie der SS, ja sein zeit- weiliger Einsatz als Fuhrer eines Sonderkommandos im Osten wird von Gisevius nicht verschwiegen Oder beschonigt, jedoch darauf hin- gewiesen, wie wichtig dieser hohe Kriminalfachmann in der SS-Uni- form fiir die Vorbereitungen einer eventuellen Aktion war. Insoferne ist das vorliegende Buch eine Er- ganzung zu den beiden obzitierten Buchern des Verfassers und wird sicherlich manche Anregung bieten, den personalpolitischen Komplex des 20. Juli 1944 noch mehr aufzuhellen.

Vniv.-