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Es geht um den Menschen

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Zu Beginn, wenn Nora, beladen mit Weihnachtspaketen, auf die Bühne tänzelt, erklingt Nancy Sinatras Song „These Boots are Made for Walking". Als ob Henrik Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim" solcher Regiegags bedürfte. Dieses Drama nur mit Emanzipation oder seine derzeitige Aufführung am Burgtheater nur mit dem Frauen-Volksbegehren zu verbinden, ist zu simpel. Wenn man/frau Ibsen werkgetreu inszeniert, was Karin Henkel, von solchen Einfällen abgesehen, auch tut, entzieht sich dieser Moralist in seiner Vielschichtigkeit billiger Vereinnahmung jeglicher Art, auch seitens des Feminismus. In erster Linie ist man nicht Mann oder Frau oder Mutter, sondern Mensch, lautet Ibsens Botschaft.

Die Geschichte der Nora Helmer, die Mann und Kinder verläßt, als „das Wunderbare" nicht eintritt (ihr Gatte Tor-vald reagiert auf die Nachricht von ihrer aus Liebe und Naivität begangenen Fälschung nicht wie erhofft), ist zunächst das Drama einer Mann-Frau-Beziehung in einer Zeit, in der Männer Frauen als ihren Besitz empfanden und ihnen kaum Bildung und eigene Interessen zugestanden. „Nora" zeigt aber auch und vor allem Ibsens Lieblingsthema: das Zerbrechen scheinbar stabiler Verhältnisse, wenn sorgsam gehütete Geheimnisse („Lebenslügen") aufgedeckt werden, wenn edle Motive gegenüber Gesetzesbuchstaben und starren Konventionen nichts gelten.

Das Burgtheater ist für „Nora" fast zu groß. Henrike Kngel füllte die Bühne mit einem ansteigenden, halbkreisförmigen Laufsteg und mehreren Spielebenen, verbunden durch Treppen, dazwischen liegt die Tür zu Tor-valds Arbeitszimmer, dem „Heiligtum" der Wohnung. Wenn die Schauspieler nicht deklamieren, sondern die für ein solches Stück adäquaten leiseren Töne anschlagen, sind sie bisweilen kaum hörbar.

Andrea Clausen (Nora) und Johann Adam Oest (Helmer) wirken zu oft wie Schauspieler, die ihre Rollen gut, aber nicht immer menschlich überzeugend einstudiert haben. Martin Schwab (Doktor Rank), Josefin Platt (Frau Linde) und Roman Kaminski (Krogstad) fällt es etwas leichter, glaubwürdige Charaktere auf die Bühne zu stellen. Alles in allem aber, dank Ibsens zeitloser Denkanstöße, ein packender Theaterabend.

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