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Mit Johann Strau ins neue Jahr

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Ein Neujahrskonzert mit dem wundervollen Dreiklang von Johann Strauß, Wiener Walzern und unseren Wiener Philharmonikern zählt seit langem zu den wienerischen Spezialitäten. Man hätte es heuer weniger denn je missen wollen. Dabei ist die Programmauswahl in diesem Falle durchaus nicht problematisch. Denn man kann in dem prangenden Blumengarten der Straußischen Muse wahllos Blüte um Blüte pflücken und sicher sein, daß sich ein Kranz apartester Farben und bezauberndsten Duft zusammenfügt. Vieles darunter ist wohlvertraut und ungern gemißt, manches Neuentdeckte, Wiedergefundene ergänzt das Gesamtbild auf die anziehendste Art. Dies galt diesmal besonders von einigen reizenden Dingen, die von Johanns kongenialem Bruder Josef Strauß beigesteuert waren, wie dem treuherzigen Aufschlag einer Polka francaise „Verliebte Augen“ oder der Wolfschlucht-Romantik in der Introduktion zum „Delirien-Walzer“ oder der reschen fesdien „Jockei-Polka“, die sich etwa neben der temperamentsprühenden Polka „Tritsch-Tratsch“ des Wiener „Schans“ keineswegs zu schämen braucht.

Am Schluß des bunten offiziellen Programms, das den „Donauwalzer“ nicht enthielt, auch diesmal wieder die erregte Spannung: wird er kommen? Oder doch nicht?

— Er kam zunächst nicht, aber, mit prasselndem Beifall empfangen, Vater Strauß' „Radetzky-Marsch“, einmal, zweimal. Schließlich begann dann das berühmte Glitzern des Tremolos in den Geigen und ein Sturm der Begeisterung brach los. Die Zelebrierung der langsamen Einleitung der „Blauen Donau“ wirkte — sit venia verbi — wie ein sakraler A*kt. Man sah in den Augen manches älteren Zuhörers Tränen aufglänzen und manches Taschentuch bewegte sich zu den Wimpern. So stark ist der Zauber jener Musik, die man — nicht mit Unrecht

— die unoffizielle österreichische Volkshymne genannt hat.

Unsere herrlichen Philharmoniker haben schon besser, exakter, bis in alle Einzelheiten hinein ausgewogener Johann Strauß gespielt als an diesem Tage, aber kaum waren Orchester und Publikum je restloser aufeinander abgestimmt als hier. Josef Krips waltete am Dirigentenpult verdienstlich seines Amtes. Er konnte sich mit den Philharmonikern in die Ehre des reichen Beifalls teilen. Möge es dem prachtvollen Orchester, das wahrhaft ein schweres, vom rastlosen Alltagsbetrieb gehetztes Jahr hinter sich hat, beschieden sein, in Zukunft in geregelter Arbeit wieder zu jener künstlerischen Sammlung zu finden, die eine volle Entfaltung der in ihm ruhenden Kräfte und einzigartigen Fähigkeiten allein voll verbürgt. .

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