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Schweizer Schauspiel in Salzburg

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Im Nachkriegsholland trat ein Schicksal zutage, das in geruhsamen Zeiten Aufsehen in der gesamten Kulturwelt erregt hätte. So aber, den wirren Zeitumständen und dem Ubermaß an menschlichem Leid entsprechend, drang es wohl verschiedentlich in die Öffentlichkeit, ward aber rasch wieder vergessen, hätte es nicht der Schweizer Dramatiker Konrad Schwengeler in einem packenden Stück festgehalten, das kürzlich im Landestheater Salzburgs eine beachtenswerte Aufführung erlebte. Das Schicksal eines Menschen, des Zerrbildes eines Menschen, der nicht wirklich zum Künstler berufen ist und dessen böser Dämon die guten Geister seiner Epoche von sich wies. Der sich hohnlachend aus bitterer Selbstüberhebung über das unver-fälschlich Echte hoher Kunst hinwegsetzte und, kraft eines dämonischen Fälscher-mgeniums, Welt und Umwelt betrog und ernste Wissenschaftler auf dem Narrenseid tanzen ließ, ja, nun nach seinem Tod, noch weitertanzen läßt. Denn es bleibt unbestritten, daß mit dem Tod des Jan van Meegeren, so hieß dieser Fälscher, das Schicksal dieses Dutzends neuer Vermeer-Gemälde und der zwei Werke Pieter le Hoochs, die er, diabolisch den Pinsel der alten Meister führend, in die Welt setzte, Debatte und Zweifel über „echt“ oder „unecht“ dieser zersetzenden Hinterlassenschaft nicht zu Ende sind. Meegeren war ein Dutzendmaler, der nicht hochkommen konnte. Er ging, wütend über sein Versagen als Künstler, 1937 nach Süd-frankreäch, und hier startete er seinen unheimlichen Trick. Seine ersten großen Vermeer van Delfts wanderten, geschickt ins Licht der Öffentlichkeit geschwindelt, als Offenbarungen sofort in große holländische Museen. Als Krieg und Besetzung die Heimat Versehrten, kaufte Göring einen solchen „Vermeer“ um nicht weniger als eineinhalb Millionen Gulden... Die Regierung lastete diesen Verkauf eines „echten“ Vermeer an den gehaßten Feind nicht zuletzt Meegeren selbst an, der aus einem armen Künstler zu einem reichen Mann geworden war. Zwischen 1945 und 1947 erfüllte sich das Schicksal dieses zynischen Schwindlers, der als „Vermeer“ nun einen Ruhm genießen wollte, der nur seiner technischen Virtuosität im Nachahmen einer bdldkünstlerischen Technik ohnegleichen ausländ. Meegeren kam vor Gericht, wurde verurteilt und starb, der gehaßten Welt ein letztes Schnippchen schlagend, vor Antritt seiner Strafe. Der Streit um seine Vermeer-und Hooch-Bilder geht weiter. All das gelangte 1947 zu dem geschilderten vorläufigen Abschluß. — Schwengeler hat es in fünf dramatisch und dialogisch versiert gebauten Akten dokumentarisch niedergelegt. Vielleicht hätte der letzte Akt, der im Krankenhaus spielt, etwas weniger pastosen Farbenauftrag und unechtes Pathos vertragen. Ins Zentrum stellt er mit Absicht Meegeren. Die Figurenfülle um ihn holt das komplizierte Wesen seiner Natur, dieser Fälschernatur, dieses virtuosen Nichtkünstlertums plastisch heraus. Auch Schwengeler sieht Meegerens Tragik als eine Scheintragik. Auch sie ist eben gefälscht, doch faszinierend in ihrer Konsequenz. Diese Konsequenz verkörpert in einer überragenden Leistung Ernst Deutsch, die Fanatik des Hasses, des Racheglüstes, dieser kalten inneren Ferne vom Menschlichen, vom Guten und Frommen. Konrad Schwengeler, der anwesende Dichter, wurde mit dem Ensemble herzlich und aufrichtig gefeiert.

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