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Moderne Bilderfälschunsen

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Die Kunstfälschung ist nicht eine Erscheinung unserer Zeit oder der jüngeren Vergangenheit. Sie ist mehr oder weniger eine Begleiterscheinung der Sammelleidenschaft und tritt in fast allen Zeitabschnitten auf. Immer, wenn die Nachfrage nach schwer zu erlangenden Meisterwerken wächst, findet sie reichlichen Nährboden. Schon zur Zeit der Römer fälschte man nicht ohne Geschick die Kunstwerke der Griechen. Im 16. Jahrhundert fälschte man die Werke der Antike, und im 19. Jahrhundert verlegte man sich besonders auf die Fälschung von Werken der frühen, oft noch nicht vollständig erforschten Kunstepochen.

Daß der Kampf zwischen Fälscher und Kenner auch heute noch nicht aufgehört hat, ist selbstverständlich. Mit dem Fortschreiten der modernen Technik und der Chemie kommen auch neue Formen der Fälschermethoden, und die Experten müssen sich deshalb der modernsten Hilfsmittel bedienen, um solche Falsifikate zu entlarven.

Die sensationelle Bilderfälschungsaffäre des holländischen Malers Han van Meegeren hat in der Fachwelt viel Staub aufgewirbelt. Man stand vor der fast unglaublichen Tatsache, daß namhafte Kunstexperten sich täuschen ließen. Erstmalig fanden gefälschte Bilder Eingang in gutrenommierte Galerien und es ist eigentlich nur einem Zufall sowie der späteren Selbstanklage des mit Recht sehr stolzen Fälschers zu danken, daß der ganze Schwindel aufkam.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß nach einer so blamablen Affäre die Frage gestellt wird, ob solche Fälschungen nicht vielleicht auch Eingang in unsere Sammlungen gefunden haben könnten. Auch die Untersuchungsmethoden werden kritisiert, diskutiert und schließlich verspottet.

Aus diesem Grunde sei hier einmal aus dem Blickpunkt des Gemälderestaurators etwas über die Schwierigkeiten mitgeteilt, die der verläßlichen Bestimmung eines Gemäldes im Wege stehen.

Der Fälscher kennt genau die Grenzen der Untersuchungsmöglichkeiten durch die Experten. Er richtet sich im maltechnischen Aufbau des Bildes nach alten, jedem Fachmann bekannten Rezeptbüchem und Maltraktaten. Er verwendet nur altes Holz oder alte Leinwand aus der vorgetäuschten Schaffensperiode, da bei neuem Material das Fehlen der Vergreisungserscheinungen sofort auffallen würde. Der Bildträger ist also praktisch als Beweis für eine Fälschung ausgeschaltet.

Die Grundierung der Malfläche ist ihm auch kein Geheimnis. Er verwendet genau dieselben Mischungen verschiedener Kreiden und Leime, poliert mit den alten Geraten und vermeidet die modernen Hilfsmittel. Er bereitet die Farben nach altem Brauch, zerstößt die Mineralien im Mörser und verreibt sie schließlich am sogenannten Glasoder Marmorläufer, genau so wie seinerzeit die Gehilfen der alten Meister. Die Malmittel werden ebenso dem damaligen Brauch entsprechend hergestellt. Nun beginnt die eigentliche Fälscherarbeit. Ist sie absolut gelungen, so muß der Fälscher nunmehr trachten, der fertigen Oberfläche des Bildes dasjenige Aussehen zu verleihen, da jedes Original dieser Periode hat: er muß die feinen, mit freiem Auge fast unsichtbaren Haarrisse des Firnisses, die sogenannten Craqueluren, nachahmen.

Hier beginnt nun eine der größten Schwierigkeiten für den Fälscher. Ein echtes Craquelee ist äußerst schwer zu imitieren und nur die allergelungensten Fälschungen haben den genauen Untersuchungen standgehalten. Diese Haarrisse müssen auch durch die untersten Schichten der Malerei gedrungen sein und meist genügt schon ein Abdecken des Firnisses an einer kleinen Stelle, um die Fälschung zu erkennen. Aber auch hier gibt es besondere Meister der Fälschung und gerade der Maler Han van Meegeren soll auf diesem Gebiete Unnachahmliches geleistet haben. Er erreichte das Craquelieren seiner Bilder durch spezielle Trocknungsvorgänge, das sogenannte „Backen”. Ähnliche Wirkungen werden auch erzielt durch Aufstriche von gelöstem Karamelzucker. Diese Zuckerlösung wirkt ähnlich wie die allbekannten Reißlacke, hat aber diesen gegenüber den Vorteil, daß man durch leichtes Erwärmen der Oberfläche die Feinheit der Haarrisse geradezu graduieren kann. Später sind diese Zuckcr- lösungen im Bilde nicht mehr nachweisbar, da sie nach erreichtem Effekt mit kaltem Wasser weggewaschen werden.

Man sieht, daß die Möglichkeiten und Variationen der verschiedenen Fälschertechniken unendlich groß sind und unter der Voraussetzung der Genialität des Fälschers zu gefährlichen Ergebnissen führen können.

Nun einiges über die Untersuchungsmethoden. Die chemische Analyse der verschiedenen Farben und Bindemittel, welche im Bilde verwendet wurden, führt kaum zu einem positiven Ergebnis, da der Fälscher jede Fehlerquelle vermeidet. Die Röntgenuntersuchung ist auch meist ergebnislos, da er auch hier Kunstkniffe verwenden kann, die unter Umständen sogar als Echtheitsbeweise ausgelegt werden können. Ich hatte bei Röntgenaufnahmen von Fälschungen feststellen können, daß der Maler absichtlich gewisse Korrekturen der Untermalung und der Zeichnung machte, sogenannte „Pentimente”, welche oft als Echtheitsbeweise gelten! Auch die Analysenquarzlampe zeigt meistens keine verdächtigen Dinge; vielleicht einige absichtlich angebrachte Retuschen, die nur dazu dienen, um den Erhaltungszustand des Bildes dem vorgetäuschten Alter entsprechend, glaubhaft erscheinen zu lassen.

Während meiner langjährigen Praxis als Restaurator hatte ich Gelegenheit, fast alle Variationen von Fälscherpraktiken kennenzulernen. Ich sah meisterhafte Fälschungen italienischer Herkunft, auch flämische und holländische Falsifikate. Die Italiener fälschten meist Werke der frühen niederländischen Perioden. Ein deutscher Fälscher spezialisierte sich auf Holländer und Franzosen des 17. und 18. Jahrhunderts. Manche waren genial und auch für den gewiegtesten Routinier schwer zu erkennen, manche hingegen ziemlich mangelhaft. Nach der unzweideutigen Feststellung, daß die Objekte falsch waren, gab es meist unerquickliche Debatten mit den Besitzern, lange Prozesse und große Blamagen. Meist sind die Käufer zu leichtfertig. Sie vertrauen den Zusicherungen obskurer Experten oder sie verlassen sich auf Gutachten mit klingenden Namen, /die sich später als ebenso gefälscht herausstellten, wie das gekaufte Bild selbst!

Man wird nun nicht ohne Grund fragen,

wie es nun wirklich dem Restaurator vor behalten geblieben ist, diese Fälschungen zu erkennen. Dazu will ich folgendes bemerken: Alle im Bilde verwendeten Bindemittel sind immer an die Mitverwendung von Leinöl gebunden. Die alten Maler nannten es Standöl. Dieses öl wurde in Zinn- oder Bleischüsseln unter dauerndem Rühren eingedickt und hatte besondere Vorzüge, die es in den damaligen Maltechniken unentbehrlich machten. Dieses Standöl hat nun die besondere Eigenschaft, daß es im Verlaufe der Zeit seine Löslichkeit im Alkohol immer mehr verliert. Diese Besonderheit macht es dem Restaurator möglich, spätere Übermalungen oder schlechte, nachgedunkelte Retuschen aus einem Originalgemälde durch sogenanntes „Anputzen” zu entfernen.

Jeder gewiegte Restaurator erkennt deshalb bei dem ersten „Putzversuch”, ob die Malerei aus dieser oder jener Periode stammen kann. Es ist nicht nur mir, sondern jedem meiner Kollegen selbstverständlich bekannt, daß man mit diesen genau graduierten Lösungsmitteln einwandfrei feststellen kann, ob das Objekt falsch oder echt ist.

Alle Echtheitsprüfungen sollen daher nicht nur dem Chemiker, sondern auch dem gewiegten Restaurator überlassen werden, um künftighin solche unangenehmen Überraschungen zu vermeiden. Der Fälscher kennt genau diesen „wunden Punkt” seiner Arbeit und versucht, durch Isolierschichten verschiedenster Art das Anputzen wirkungslos zu machen. Er verwendet dazu Anstriche von Eiklar, verschiedener Leime oder alkoholunlöslicher Lacke. Aber alle diese Kaschierungen lassen sich auf einfache Art entfernen, da sie nur an der Oberfläche haften. Es genügt meist ein leichtes Abschaben der betreffenden Stellen, um die Wirkung der Putzmittel erkennen zu lassen. Meist werden diese Putzversuche an den vom Rahmen gedeckten Randstellen des Bildes gemacht. Alle diese Eingriffe bedingen langjährige Erfahrung und Praxis und müssen daher nur den Fachleuten überlassen bleiben.

Daß in die Wiener Sammlungen Fälschungen Eingang gefunden haben könnten, ist vollkommen ausgeschlossen. Seit vielen Jahrzehnten werden die Bilder unserer Galerien von den erfahrensten Restauratoren gepflegt. Bei Neuerwerbungen überlassen immer die Kunsthistoriker die substanzielle Echtheitsüberprüfung den Restauratoren, eine Fälschung würde dadurch unbedingt erkannt und abgelehnt werden. Ein Fall Meegeren wäre demnach in Wien unmöglich gewesen.

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