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Gemalderestaurierung und ihre Gefahren

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Die meisten Gemälde aus österreichischem Besitz, welche wohl die letzten Jahre und die damit verbundenen Gefährdungen mannigfacher Art überstanden haben, dennoch aber einer Behandlung durch den Fachmann bedürfen, befinden sich heute unter der schützenden Aufsicht des Denkmalamtes und anvertraut den besten Kräften jener Kunst, die unter dem Doppelnamen Konservierung und Technologie bezeichnet ist.

Und es sind ihrer sehr viele, die da vorsorglich aufbewahrt werden; bei ihrem An-• blick aber, wie sie ähnlich den Kranken in den Vorzimmern der Kliniken in großer Zahl beieinander des Zeitpunktes harren, da eine kundige Hand sie befühlt, untersucht und kuriert, möchte es uns beinahe wie in jenen Wartezimmern ergchen zu sagen: dem dort und der und dir wird wohl nimmer zu helfen sein. Ja, es hat wirklich sehr oft den Anschein. Ein barocker Herr in Spitzen und Seide zeigt uns sein bös verwundetes Gesicht, quer über Mund und Nase geht der Riß; eine Landschaft hat ein trübe verregnetes Ansehen, weil aus den Ruinen eines Hauses geborgen, wo sie längere Zeit Schnee und Regen ausgesetzt war. Manches weitbekannte Bild der Romantik zum Beispiel leidet durch die Beschaffenheit seines Materials: unter dem spiegelglatten Firnis fängt das Lindenholz zu „arbeiten“ an, dehnt sich aus, zieht ein, und in diesem Rhythmus beginnt die Farbe Blasen zu werfen, abzublättern. Wie es zur Vorliebe der Romantik gehört, auf der wunderbar glatten Liride zu malen, so gefiel es manchem Künstler des 17. Jahrhunderts, eine zarte Kupferplatte zu verwenden, und auch sie, diese netten, kleinen Genreszenen, gehören zu den Patienten des Restaurators, weil die Kupferplatte von den Einflüssen der Luftfeuchtigkeit verzogen, das ganze Bild in ein „schiefes Licht“ gebracht hat.

Bei solchen Feststellungen innerhalb der zahlreichen Versammlung restaurierungsbedürftiger Gemälde sind wir zum andern-mal versucht, ähnlich zu urteilen, wie man es auch in aussichtslosen Krankheitsfällen hören kann: es soll nur irgend etwas geschehen* zriir 'Besserung; hilft es nicht — schlimmer kann's nicht mehr werden. Und das wäre der zweite unpassende Ausspruch dort bei den Kranken, hier bei den Kunstwerken. Im Gegenteil, es ist gerade die Art der Restaurierung von entscheidender Bedeutung. Darin aber liegen die eminenten Gefahren dieser verantwortungsvollen Aufgabe.

Es ist nicht nur eine Kunst, den einmalig lebendigen Organismus, wie er aus der Hand des Meisters kam, wiederherzustellen, dies zu vermögen, verlangt echte Wissenschaft. Vielleicht ahnen wir gar nicht, welche weitreichende Kleinarbeit des Chemikers im Laboratorium notwendig vorangeht, bis ein tatsächlich vertrauenswertes Konservierungsmittel da ist. Der Technologe müht sich um Substanzen, die dem Materialkörper des Gemäldes konform sind. Heute wird nicht mehr mit irgendwelchen obskuren Geheimpräparaten restauriert, die aus einer Alchimistenküche stammen, sondern der Fachmann nimmt seinen Ausgang von der Beschaffenheit des zu behandelnden Werkes. Er hält zu allererst dessen technologische Zusammensetzung fest und baut seinen Regenerationsplan entsprechend auf.

Es stellt allerdings einen bedeutenden Gefahrenherd für den Erfolg dar, die oft sehr schwierige Frage über e“ben jene Zusammensetzung glücklich zu lösen. Ist dies aber gesdiehen, beginnt die Aufgabe des Chemikers, wobei zu betonen ist, daß der heutige Restaurator selbst zugleich weitestgehend chemisch-technische Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen muß. Auf chemischem Weg nun soll jener Stoff und jener Zustand desselben erzeugt werden, der einst dem Künstler notwendig und dienlich erschien. Wir machen dabei oft die Erfährung, daß jene technischen Produkte, die zwar der chemisdien For/nel, nicht aber ihrer organischen Herkunft nach dem Grundstoff des Materials entsprechen, diesem niemals standhalten; wenn solch ein synthetisches Mittel am Original angewendet wird, so g.-ht es trotz der Übereinstimmung' nach den Bildungsgesetzen der Chemie keinerlei Verbindung ein und dadurch schaltet seine Verwendbarkeit aus.

Mit dieser Erwähnung mag wohl dem Liebhaber wertvoller Gemälde jenes gelinde Erschrecken genommen sein, das ihn etwa bei der Hervorhebung chemisch-technischen Verfahrens auf dem Gebiet der Restaurierung befallen haben mag. Einem verbreiteten Irrtum soll dabei sogleich begegnet werden, der in dem modernen Konservator nur einen mechanischen Laboranten zu sehen meint. Die kostbaren öle und Harze der Pflanzen und die Säfte der Tierwelt sind sein wesentliches Requisit. Aus ihnen stellt er in geduldig zäher Arbeit als geschulter Naturwissenschaftler die kräftigenden und erneuernden Mittel seiner Kunst her.

Dieser Kunst aber ist es zutiefst wichtig, den ursprünglichen Charakter des Gemäldes zu vermitteln. Dieser Charakter ist aber nicht bloß ein visueller, sondern vor allem ein anschaulicher. Und da beginnt die künstlerische Bedeutung des Restaurators. Er wird es nicht immer mit Gemälden zu tun haben, deren augenscheinliche Beschädigungen zu reparieren sind, sehr oft tritt an ihn die Aufgabe heran, Kunstwerke, die während ihres Aufenthaltes in Galerien und Museen den ursprünglich ihnen vom Künstler gegebenen Charakter verloren haben, zu erneuern. Gemälde werden ihm gebracht, die gleichsam ein Schatten ihrer selbst geworden sind, so verblichen, verdüstert sehen sie aus. Hier nun mit sicherer Hand die staubigsten Schleier länger Zeit zu lüften und das kaum mehr geahnte Bild ans Licht zu bringen, ist eine abermals gefahrenreiche Stufe auf dem Weg vom Werk zu seiner Wirklichkeit.

Gefahrvoll für den Restaurator nicht allein vor dem Gemälde, sondern fast noch mehr vor dem Publikum, das gewiß eines Tages mit großem Staunen in den Galerien Bilder wiedersehen wird, die es kennt und doch nicht kennt. Klar müssen wir uns auch hier werden, daß wir an Altehrwürdigem nicht den Staub der Jahrhunderte lieben dürfen, sondern das heimliche Leben, das über diese Jahrhunderte bis zu uns herauf schlägt. Wir müssen uns für das Eigentliche, Ursprüngliche entscheiden. Gewiß werden wir an manchem Van Dyck, Rem-brandt oder Ruisdael einige Überraschungen erleben, sobald er restauriert ist.

Aus dieser Perspektive können wir schon ein wenig einsehen, daß sich in der Arbeit eines Mannes, der Gemälde wiederherstellt und vor dem Verfall bewahrt, weite Forderungen und Gefahren bergen und daß er ein technisch-handwerklich begabter, strenger Wissenschaftler und vor allem ein Künstler sein muß. Keiner, der nicht eine Gabe zu dieser Vereinigung seiner Kräfte in sich spürt, wird je ein Bedeutender sein auf dem Gebiet der Konservierung und Technologie.

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