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Aus der Werkstätte des Fälschers

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Worauf zielt das Werk des Fälschers eigentlich ab? Im Grunde ist er bestrebt, ein quantitatives Ergebnis — sei es teilweise ein fremdes, teilweise ein eigenes — durch Zusatz oder Veränderung, durch Imitation oder eklektische Kompilation zu tinem qualitativen Ergebnis — der einmaligen schöpferischen Aeußerung eines künstlerischen Ingeniums, einer einmaligen Sicht auf die Welt — umzufälschen. Dazu müßte er sich aber, gleich einer Proteusnatur, verwandeln und in die Haut einer anderen Persönlichkeit schlüpfen können, ja das Gebot einer aus einem ganz fremden Leben konstellierten Stunde wiederholen und imitieren. Mehr als das müßte er darüber hinaus die Fähigkeit haben, den Zeugungsakt des Schöpferischen zu vollziehen, der das Kunstwerk nicht nur zum einmaligen Ausdruck einer einmaligen Persönlichkeit, sondern auch der Epoche macht. Daran scheiterten — allerdings nicht für ihn — schon die Fälschungen eines Dwiena. Was damals von den Fachleuten als Origihal angesehen, wurde, erscheint uns heute eklektischer Theaterdekor, imitativer Versuch und trägt deutlich den Geist seiner Entstehungszeit, des Fin de siecle, in sich. Der Fälscher entging nicht dem „Geist seiner Zeit”. Die Fachleute allerdings auch nicht.

Das Problem der Fälschung ist also irgendwie das Problem des Kunstwerkes. Wenn wir zur Definition eines Kunstwerkes jene Definition von Thomas von Aquin der Schönheit annehmen, die von ihr claritas, quidditas und inte- gritas verlangt, so sind wir gezwungen einzusehen, daß sich die Menschheit zwar im Besitz von zahllosen Werken aller Künste befindet, daß aber nur wenige jenem so enger gefaßten Begriff entsprechen, die implicite auch noch jenes geheimnisvolle Leben aufweisen, das als der Ausdruck des Schöpferischen das Kunstwerk beseelt und zu seiner eigenen Wirklichkeit macht. Dafür liefert jedes Museum sprechenden Beweis.

So lange aber die Bestimmung des Kunstwerkes nur von quantitativen Kriterien getragen wird, hat der Fälscher noch immer große Chancen für sich. Das heißt: so lange’der Markt, der Kunsthandel und die historische Betrachtung allein Zusammenwirken, den Wert eines Kunstwerkes oder Bildes zu bestimmen, „echt” oder „unecht” wichtiger erscheint als „gut”, oder . schlecht”. Es ist nun einmal so, daß der Handelswert eines Bildes in keinem Verhältnis zu seiner Qualität stehen muß, ein schlechter Rembrandt mehr wert ist als das Meisterwerk eines an und für sich sonst unbedeutenden Malers. Es ist die Magie eines Namens, die dem Unbedeutenden Wert verleihen kann, eine Blendung hervorruft und jene vollkommen fiktiven Preise erzeugt. die auf dem Kunstmarkt mit der Veränderlichkeit von Modeströmungen den Wert eines Bildes bestimmen. Unter dem Schutze auch dieser Mißverständnisse arbeitet der Fälscher. Er wird weiter unter ihrem Schutze arbeiten, solange nur materialistische Erwägungen eine Wertskala schaffen, die dem Einmaligen des Kunstwerkes nicht entsprechen. (Die Bewertungsmethode des französischen Kunsthandels nach „points”, nach dem Format des Bildes und nach dem Ruf des Künstlers, ist dafür nur ein beredtes Beispiel.)

Wir haben auch in jüngster Zeit gesehen, daß quantitative Untersuchungen: Röntgen, Quarzlampe, Ultraviolett und Farbenchemie, sehr wohl versagen können. Ja, daß sie sich wie ein Schleier vor die ursprüngliche Begegnung legen. Nicht daß sie abzulehnen sind, aber sie haben eben nur die Rolle letzter Hilfsmittel im Falle de Zweifels zu spielen. Den Aeußerlichkeiten, denen sie sich — wie die Stilkritik — nähern, kann der Fälscher wohl entsprechen, aber eben niemals dem strahlenden Zentrum, weichet das Wesen des Kunstwerkes ausmacht.

Der geniale Fälscher ist undenkbar. Wäre er genial, so wäre er eigenschöpferisch Künstler. Es kann nur die unvollkommene Annäherung des Betrachters an das Kunstwerk sein, auf die er baut: auf das Fehlen der inneren Stille, in der erkannt wird: und damit auf die Unvollkommenheit der menschlichen Natur. Heute, wo er fast vom mechanischen Faksimile übertroffen wird, die materielle Identität des Nachgeschaffenen zum täuschenden Teufelstrick wird, zeigt sich aber gerade an der Gegenüberstellung des Originals mit dem äffischen Abbild, wie sehr selbst bei einem Kunstwerk geringeren Maßes der Hauch einer unverlierbaren Kraft seine Unterscheidungen trifft. Kunst ist nicht nachzuahmen. Kunst ist oder ist nicht. Es liegt auch an uns und nicht nur bei den Experten, jene Fähigkeit zu wecken, die die Begegnung mit ihr ermöglicht.

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