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Ohne Fachwissen hilflos

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Original, Kopie oder Fälschung? Für den Kunstsammler eine Frage von zentraler Bedeutung, gleichgültig, ob er Sammler aus Leidenschaft oder aus Gründen der Wertanlage ist. Durch mangelnde Sachkenntnis, allzugroße Vertrauensseligkeit oder Unkenntnis der rechtlichen Situation kann es zu einem späteren Zeitpunkt für manchen Kunstliebhaber oder für den Weiterverkäufer, etwa seinen Erben, ein trauriges Erwachen geben. Ganz so ausgeliefert, wie es oft den Anschein hat, ist der Käufer jedoch nicht. Er hat Möglichkeiten, sich abzusichern.

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Original, Kopie oder Fälschung? Für den Kunstsammler eine Frage von zentraler Bedeutung, gleichgültig, ob er Sammler aus Leidenschaft oder aus Gründen der Wertanlage ist. Durch mangelnde Sachkenntnis, allzugroße Vertrauensseligkeit oder Unkenntnis der rechtlichen Situation kann es zu einem späteren Zeitpunkt für manchen Kunstliebhaber oder für den Weiterverkäufer, etwa seinen Erben, ein trauriges Erwachen geben. Ganz so ausgeliefert, wie es oft den Anschein hat, ist der Käufer jedoch nicht. Er hat Möglichkeiten, sich abzusichern.

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Besonders schwierig ist es bei Porzellan, Original, Kopie und Fälschung auseinanderzuhalten. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der bildenden Kunst fehlt hier teilweise eine ausführliche, auf die .einzelnen Manufakturen bezogene Fachliteratur, die dem Interessierten die Aneignung einschlägiger Kenntnisse ermöglicht. Wie groß -die Unsicherheit und der Bedarf an solchem Fachwissen ist, hat die Ausstellung „Wiener Porzellan - echt oder gefälscht?“ gezeigt, die nach erfolgreicher Präsentation in Wien und Graz bis September vom Linzer Stadtmuseum (Nordico) übernommen wird.

Der Ansturm Ijei den Führungen, Vorträgen und Seminaren zum Spezialthema „Echt oder gefälscht?“ hat vor einiger Zeit das österreichische Museum für Angewandte Kunst zu einer Spontanausstellung „Europäisches Porzellan und Keramiken der Pariser Firma Samson“ veranlaßt. An Hand von Samson-Modellen wird die große Verwirrung klar, die durch die Signierung von Kopien entstehen kann. Die korrekte Bezeichnung einer Kopie erfolgt durch die Marke der erzeugenden Firma mit dem Hinweis auf das Originalmodell, nach dem die Kopie entstanden ist Eine eindeutige Fälschung liegt vor, wenn die Marke der erzeugenden Firma durch die Originalmarke ersetzt wird. Zu einer Zwischenlösung, die auch bei anderen Imitatoren verbreitet war oder ist, hat in vielen Fällen einst die Firma Samson gegriffen: die Anbringung der Originalmarke, deren Kopierung an sich schon eine bedenkliche Angelegenheit ist, unter der Glasur und die der eigenen Marke auf der Glasur. Diese Vorgangsweise stellt ebenso wie die Anbringung beider Marken auf der Glasur, eine gewisse Vorschubleistung zur Fälschung dar, da die Erzeugermarke des Kopisten entfernt werden kann. Komplizierter ist eine Verfälschung, wenn beide Marken unter der Glasur angebracht werden.

Die Ausstellung besteht aus privaten Leihgaben und dem vom Museum im Jahre 1906 von der Firma Samson direkt erworbenen Bestand von Imitationen nach ostasiatischen und europäischen Originalen mit verschiedensten Kennzeichnungen. Sie zeigt unter anderem auch Meißner (das berühmte Zwiebelmuster und Kopien anderer Manufakturen), Wiener und Sėvres- Porzellan und deren Verfälschungen und Fälschungen. Dr. Waltraud Neu- wirth, die in Fachkreisen als die österreichische Spezialistin für Porzellan gilt, hat dazu eine Marken- und Textdokumentation zusammenge- stellt, in der der Besucher oft erstmalig die Marken der Firma Samson, die Imitationen und Fälschungen der Sev-, res-Marken und viele jener Marken zu sehen bekommt, die entweder die Meißner Schwertermarke kopiert oder sich doch zumindest stark an die Form dieser Marke angelehnt haben. Die französische Firma Samson wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und hat bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts Imitiationen von Porzellan und verschiedenen Keramiken hergestellt. Ihre Erzeugnisse von internationalem Rang haben lange Zeit den Weltmarkt beherrscht und mindestens zwanzig- bis dreißigtausend ihrer Kopien sind heute in Handel und Privatbesitz auf der ganzen Welt verteilt.

Auch der Bindenschild als Kennzeichen der Wiener Manufaktur, die ihre Produktion 1864 eingestellt hat, war im Laufe der Jahrzehnte vielfach Anlaß für die Herstellung „verwechslungsfähiger fremder Typen“ oder Fälschungen. Eine der bekanntesten Formen war der Bienenkorb, die Umkehrung des Bindenschildes, als Markenbezeichnung für Wiener Porzellan. Die Firma Augarten zum Beispiel, legale Nachfolgerin der alten Wiener Manufaktur, grenzt sich hier scharf von allen zweifelhaften Kopien ab und kennzeichnet ihre Produktionen genau mit ihrer eigenen Marke als Fortsetzung des Bindenschildes.

Moderne Fälschungen von Qualitätsporzellan gibt es kaum mehr. Der Markt ist von guten Kopien und Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert so überschwemmt, daß sich die kostspielige und überaus komplizierte Herstellung nicht rentiert. Viel kritischer sind heute die sogenannten Verfälschungen, die durch Restaurierung, Reparaturen, Übermalen und ähnliches entstehen. Verfälschungen sind schwer zu erkennen und nachzuweisen.

Auch der erfahrene Kunsthändler ist bei Porzellan und Keramiken sehr oft auf das Urteil des Wissenschaftlers

Falscher Bindenschild und Samson-Marke der nebenstehenden Jagdgruppe, beides Unterglasur.

angewiesen. Die modernen industriellen Jugendstilkopien der Firma Zsol- nay in Ungarn beispielsweise schaffen auch in Fachkreisen immer wieder Verwirrung.

Doktor Neuwirth hat im Vorjahr eine erste Dokumentation über das Bindenschild, seine Imitationen, Fälschungen und Verfälschungen publiziert und wird demnächst eine ähnliche Arbeit über die Meißner-Marken herausgeben. Zu diesem Thema ist im kommenden Herbst ein Seminar geplant. Da erfahrungsgemäß Veranstaltungen dieser Art sehr überlaufen sind, ist es ratsam, sich schon jetzt beim österreichischen Museum für Angewandte Kunst (Wien I, Stubenring 5, zu Händen Frau Dr. Neuwirth) schriftlich anzumelden.

Etwas anders ist die Situation bei den Gläsern. Die berühmten Loetz- Gläser zum Beispiel, auf die sich Kunstfachmann Gerhard Strauch spezialisiert hat, können seiner Meinung wegen der Aufwendigkeit der alten Techniken faktisch nicht mehr gefälscht werden, doch gehen hier die Meinungen weit auseinander. Bei Glas spielt die Signierung keine Rolle, ihr Fehlen ist ebenso kein Anhaltspunkt für eine Fälschung oder Kopie wie eine Markenbezeichnung keine Sicherheit für die Echtheit eines Glases ist. Nur fundierte Kenntnis kann beim Ankauf von altem Glas Irrtümer weitgehend ausschließen.

Bei größeren Kunstobjekten, etwa Möbeln, ist es dem Kennef) ebenfalls relativ problemlos möglich, Kopien von Originalen zu unterscheiden. Auch hier spielt die Marke kaum eine Rolle. Die meisten ernstzunehmenden

Händler der Branche sind gerichtlich beeidete Sachverständige, denen der Käufer absolutes Vertrauen entgegenbringen kann, betont Kunsthändler Herbert Asenbaum. Seiner Meinung sind Kopien ohne jeden Kunstwert, werden nur aus Kunstunver- ständis gekauft.

Eine ganz eigene Sparte im Problemkreis „Kopie“ stellen die Arbeiten von Josef Hoffmann dar. Hoff- mann hat nur die Entwürfe gemacht, nach denen von unzähligen Künstlern und Firmen bis heute produziert wird. Der Firma Kyral, die fünfzig Jahre ausschließlich und von 1948 bis 1954 unter anderem auch für ihn gearbeitet hat, hat der 1956 verstorbene Professor Hoffmann rund hundert Entwürfe überlassen. Die von Kyral nach diesen Zeichnungen hergestellten Produktionen tragen nur den Stempel der Firma. Eine Lichtpause des Entwurfes von Hoffmann, nach dem das Modell entstanden ist, ist die Garantie für seine Echtheit. Die Erzeugnisse der Wiener Werkstätte, die von Josef Hoffmann 1913 mitbegründet wurde und bis zum Zweiten Weltkrieg bestanden hat, trugen den Stempel der Werkstätte und den von Josef Hoffmann. Die frühen Kyral-Produktionen nach Entwürfen von Hoffmann tragen oft nur den Hoffmann-Stempel. Unikate von Hoffmann-Modellen sind selten, meistens wurden mindestens zwei Stück hergestellt. Hier handelt es sich jedoch nicht um eine Kopie - die ja das Original nachmacht -, sondern um ein zweites Original, da beide Modelle nach dem Entwurf direkt entstehen. Im Kunsthandwerk sind Einzelstücke nicht üblich. Auch nach Entwürfen von Fuchs und Dali beispielsweise entstehen jeweils mehrere Originale.

Kopien von Hoffmann-Modellen können vom Fachmann relativ leicht erkannt werden. Ludwig Kyral glaubt nicht, daß es solche Kopien gibt, die Witwe von Josef Hofmann meint, daß seine Modelle in der BRD nachgemacht werden. Die Herstellung eines Modells ist so teuer, daß nur eine größere Auflage von Exemplaren rentabel wäre, die Kopien und Fälschungen faktisch unmöglich macht. Nur bei Gußmodellen nach Hoffmann-Ent- würfen ist Vorsicht geboten. Diese können in Massen hergestellt werden und in England wird dies dem Vernehmen nach auch praktiziert. Die zeitliche Festlegung von Hoffmann- Produktionen ist schwierig, das Datum des Entwurfes kaum ein Hinweis, weil die Ausführung oft zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist.

Welche Möglichkeiten hat nun der Sammler, um sich gegen einen ungewollten Kopieankauf oder gegen eine Fälschung abzusichern? In erster Linie durch eigenes Fachwissen - „Praxis mit den Dingen ist die beste Sicherheit gegen Fälschungen“ (Lan- desgremialvorsteher Dr. Reinhold Hofstätter), dann durch Rückfragen bei Spezialisten und Beratung beim Kunsthändler, dem man Vertrauen entgegenbringt. Der Kauf von Kunstwerken sollte vor allem Vertrauenssache sein, meinen die Kunsthändler, und jeder seriöse Verkäufer gibt dem Kunden die Möglichkeit, sich bezüglich der Echtheit eines Modells bei einem Experten Rat zu holen. Der Käufer bekommt eine Expertise, die alle erforderlichen Angaben - auch über Kopien, Reparaturen und so fort - enthält, sie ist jedoch nur eine Meinungsäußerung des Kunsthändlers, die im Ernstfall wenig wert ist. Einzig die haftende Expertise, die den Wortlaut „für unser Angebot haften wir“ enthält, ist eine juristische Sicherstellung. Auf Anforderung des Käufers ist der Kunsthändler verpflichtet, einen solchen Garantiebrief auszustellen, betont Dr. Hofstätter. Gerne stellen die Kunsthändler die haftende Expertise nicht aus. Sie erfordert nämlich einigen Aufwand: die eigene Absicherung durch einen Experten, genaues Wissen, Formalitäten, die in dieser Branche von Individualisten Unwillen erregen.

Im günstigsten Fall ist die Ablehnung des Garantiebriefes einfach auf Scheu vor dem Arbeitsaufwand oder Gekränktheit über das entgegengebrachte Mißtrauen zurückzuführen. Sie kann allerdings auch ein Hinweis auf die Unsicherheit des Kunsthändlers sein, der sich auf sein Angebot nicht festlegen will. Dies kommt jedenfalls häufiger vor als echte Täuschungsabsicht - zumindest beim seriösen Handel.

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