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Julian Schutting führt in den blühenden Garten der Töne.

Die erste Sommer-Matinee im Planetensaal des Schlosses Eggenberg. Auf einmal kehlig schrille Schreie, die sich in eine Bach-Suite drängen. Die Aufmerksamkeit eines Konzertbesuchers von einem Pfauensolo angezwackt. Und genüsslich beginnt sich eine Assoziationsspirale zu drehen: "Wenn da nicht unter einem gemalten Sternenhimmel ein geträumtes Zusammentreffen stattfindet zwischen einem Streichinstrument und einem seltenen Vogel, wenn doch ein Cellist am helllichten Tag in einem Planetensaal Solo-Suiten spielt für einen Pfau, der am liebsten zu BachBegleitung sein i-au-Solo singt!"

Der Musik verschrieben

Julian Schutting hat sich diesmal der Musik verschrieben und führt den Leser in seinem neuen Buch in den blühenden Garten der Töne. Es ist ein Blick von außen auf unterschiedlichste Tonwelten, -höhen und -mixturen, der zwischen Reflexion, Imagination und persönlichem Erleben angesiedelt ist. Nicht Musiker kommen hier zu Wort, sondern einer, dessen Gedanken und Worte sich aus Genuss und Ver-Wandlungen, aber auch aus dem Drumherum einer Wahrnehmung von Tönen schälen.

In kurzen, thematisch bunt arrangierten Texten nähert sich Schutting verschiedenen musikalischen Situationen. Ohr und Geist konzentrieren sich weniger auf alltägliches Rezeptionsverhalten, sondern ergründen musikalische Nebengleise.

Einzelne Szenen führen mitten in den Alltag hinein, etwa in die Warteschleife der Zwischenmusik, die am Telefon ganz unbarmherzig Zeit überbrücken hilft. Den Sonntagsspaziergang begleiten Musikfragmente hinter Hausfassaden: Zillertalerisches, von "anheimelndem Schweinsbratenduft" durchzogen, Mozart, Beethoven beim Räumen des Kofferraums. Einst hörte man in Döbling gerne Schuberts Unvollendete, und im Wienerwald tönte sie dann aus dem Kofferradio eines Wanderers und verband "sympathetisch" Kunst und Natur. Zu Schuttings Recherchefeld gehört schließlich auch sinnlich erlebtes Mozartkonfekt, welches zart zerbissen, zungengeknetet von "eingestülpten Lippen" festgehalten wird.

Opernliebhaber

Vor allem aber zeigt sich Schutting hier als Opernliebhaber und profunder Opernkenner. Der Leser folgt ihm tief hinein in die Gegenwart zahlreicher Aufführungen sowie in die Auseinandersetzung mit dem Genre selbst. Hier geht es aber nicht nur um Operngeometrie, "plüschige Spezialsounds" oder ums Stehplatzzeremoniell. Es sind die Seinsformen einer individuellen kritischen Rezeption, die Bedeutung erlangen. Das Ohr am Orchestergraben erahnt aus dem Einstimmungs- szenario die Oper; ein grandios nachempfundener Moment eines Szenenapplauses wird in einzelne Wellenberge und Flüsse zerlegt. Tosca, Carmen, La Traviata rauschen in poetischen Analysen vorbei. In diesen Texten taumelt es "von sinnesaufreizenden Wechselbädern", es rauscht, knittert und knattert (bei Freiluftaufführungen) und wonnegruselt. Vieles ist mit Emotion infiltriert.

Persönliches Dokument

Dem hehren Topos in seinem Plädoyer für die Oper korrespondiert ein hehrer, auf ironischen Zwischentönen liegender Ton, der vielleicht manieristisch anmuten mag: "Ach, lassen wir uns doch davontragen in den Äther des Opern-Alls - "kommt nur ihr Herzlahmen, laßt euch Heilung einträufeln durch die Ohren!" Schuttings Betrachtungen sind ein sehr persönliches Dokument, das zu vielfältigen musikalischen Auseinandersetzungen anregt.

Metamorphosen auf Widerruf

Über Musik

Von Julian Schutting

Otto Müller Verlag, Salzburg 2003

144 Seiten, geb., e 15,00

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