6693987-1962_50_09.jpg
Digital In Arbeit

Wildgans-Feier

Werbung
Werbung
Werbung

Das noble, alte Mödlinger Landhaus neben Sankt Othmar, in dem Anton W i 1 d g a n s lebte und starb, nimmt eine seltsame, fast ideal zu nennende Mittelstellung ein: es ist bereits seit langem über den Charakter eines privaten Heimes überhöht, anderseits aber noch nicht ganz eine Gedenkstätte im üblichen Sinn. Statt musealer Erstarrung wirkt hier noch immer der lebendige Geist. Deshalb hatte die anderorten allzu gefällig und feuilletoni-stisch klingende Formulierung „Zu Gast bei...“ einen tieferen, volleren Sinn, als die Anton-Wildgans-Gesellschaft zu einer Feierstunde nach M ö d-1 i n g einlud. Dr. Kurt E i g 1, beliebt als Schriftsteller und verdienstvoll als Sachwalter österreichischer Literatur, gab mit seinen einleitenden und verbindenden Worten der Veranstaltung die intime Stimmung eines Privatissimums über Wildgans' Jugendeindrücke und erste dichterische Versuche, über den jähen Wechsel von idealistischem Hochgefühl und den Nöten des Gymnasiasten. All dies fand in alten Schreibkalendern und „zweckentfremdeten“ Vokabelheften seinen Niederschlag.

Dieser private Grundton klang auch aus den Worten von Frau Professor Lily W i 1 d g a n s, die mit dem stillen Charme einer Dame aus dem alten Österreich das Bild des widerspruchsvollen jungen Menschen Anton Wildgans nachzeichnete. Zentralpunkt der Feier aber war die Lesung aus einem erst kürzlich unter den Schriften und Dokumenten des Wildgans-Archivs aufgefundenen Jugendwerk des Fünfzehnjährigen: der Griechentragödie „Hippoda m e i a“, fünfaktig, in Jamben verfaßt, Nachklang großer Burgtheaterabende, in Gewandung und Form den Klassikern, namentlich Grillparzer, nachempfunden, doch mehr als die übliche Pubertätsdramatik der Zeit, sondern in den besten Stellen ein jünglingshafter Wurf, ein erstes Üben der Kräfte. Die Interpretation durch Veit Relin und junge Kräfte des Ateliertheaters — wo „Hippodameia“ im nächsten Jahr in Szene gehen wird — entsprach dem edlen Feuer des Werkes. Dann erklang Anton Wildgans' schwere Stimme mit dem Gedicht „Das Lächeln“. Da stand der reife Dichter, die mächtige Gestalt, der in sich gefestigte Mann, fast körperlich fühlbar im Raum. Man war wahrhaft bei ihm zu Gast.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung