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Wildgans und die Burg

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Mödling bei Wien, Andergasse 3. Hier zog Anton Wildgans im Jahre 1917 in, hier schloß er, während die Welt in Blüten stand, seine Augen. Wenn man auf dem Altan steht, der an drei Seiten in der Höhe des ersten Stockwerkes das Haus umgürtet, und in so klarer Herbst über dem Land liegt, wie in den letzten Tagen des Septembers, dann schweift der Blick nach Osten hin bis an den Rand der blauenden Leithaberge, vor denen die Ebene wie ein erstarrtes Meer liegt, und kehrt, müde vom Schauen, in das heimelige Grün zurück, das von allen vier Seiten in die Fenster des Hauses grüßt, ruht im Garten, wo noch letzte Rosen gemeinsam mit Dahlien und reifendem Wein in der alten Sonne leuchten; und verirrt sich zuweilen südwärts, wo über dem müden Grün eines mächtigen Nußbaums das Dach der Pfarrkirche von Sankt Othmar aufstellt, gleich einem nahen Bergkamm.

Wir sind bei Frau Lilly Wildgans zu Gast. Der Anlaß ist ein besonderer: soeben sind die ersten Exemplare des Buches „Anton Wildgans und dal Burgtheater“ (bei Kremayer & Scheriau, Wien) auf der Presse gekommen, zufällig gerade in den Tagen, da das Haus auf dem Ring erneuert dasteht, dem der Dichter Wildgans zweimal mit aller Hingebung seines Hetzens gedient hat. Es konnte sich keine bessere Persönlichkeit finden, die von Wildgans zu Lebzeiten schon geplante Rechtfertigung seines Wollens herauszugeben, als eben seine Frau, die bekanntlich nicht bloß den Nachlaßband „Ich beichte und bekenne“ formte, sondern auch die große, dreibändige Lebensgeschichte in Briefen und Bildern (1948). „Lebensgeschichte“, so bemerkte Frau Wildgans, „soll das Burgtheaterbuch ebenfalls sein, also keine Theatergeschichte und noch weniger etwa eine Kritik bestimmter Vorkommnisse und Zustände. Es ist ein Buch, randvoll mit Schwermut; mein Mann hat die Berufung an die Burg mit Hinopferung eigener weitreichender Schaffenspläne bezahlt, und wohl auch, das kann man sagen, sein Leben daran gesetzt. Aber

Burgtheater und Oesterreich waren ihm deckende Begriffe; ihnen zu dienen in einer Zeit kultureller Irrnts war ihm elbitveritändlich.“ Frau Wildgans erzählt dann von den mühevollen Vorarbeiten, dl jenen der Briefausgabe mit ihren 8000 Manuskriptseiten kaum nachstanden. E gab viele Widerstände, auch piychologilcher Art, der beteiligten oder sich beteiligt glaubenden Stellen. So war dai Aktenfaszikel Wildgans-Direktion in der Burg leer. Guten Dienit erwies da Studium der Preise, die dem Kapitel Burg damals große Aufmerksamkeit schenkte. Von da aus gesehen ist also auch das Problem aufgerollt, von dem Wildgans schrieb: „Das Hauptproblem des Burgtheaters hängt zusammen mit der Not alles Geistigen in dieser Zeit.“

Auf den sachlichen Inhalt des Buches kommen wir ausführlich noch in unserer Buchrubrik zurück.

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