6581190-1951_18_10.jpg
Digital In Arbeit

Wildgans-Gedenken

Werbung
Werbung
Werbung

Nun liegen sie hinter uns, die Feiern und Feierstunden zu Anton W i 1 d g a n s' 70. Geburtstag. Das Vorzüglichste, Geschlossenste und Ergreifendste bot die Insel mit einer Leseaufführung der „Armut“. Bei der Gedächtnisfeier der Josefstadt in den Kammerspielen gedachte F. Th. Csokor, der Freund des Dichters, des Verstorbenen, drei Schauspieler lasen, rührend und unbeholfen, Verse und Kapitel aus „Musik der Kindheit“. Der Einakter „In Ewigkeit Amen“ beschloß den Abend. Im Internationalen Haus trug bei der Gedenkstunde der Wildgans-GeseÜ6chaft Albin Skoda eine Rede Felix Brauns vor und wieder Gedichte, Auszüge aus Kriegstagebüchern, die frühe „Kerschdorfer Novelle“, eine Lesung des fünften Bildes de6 „Kain“. — Zu diesen Wiener Hauptfeiern gesellten sich zahlreiche Nebenfeiern, hier und andernorts. So eine Wildgans-Festakademie in Mödling am 22. April unter Mitwirkung namhafter Kräfte ... „Das gesamte Reinerträgnis floß den Ortsarmen von Mödling zu.“

Den bitteren Geschmack im Herzen werden wir durch diese Feiern nicht los. Dem Dichter und Künder Österreichs wurde, wie mehrmals bei Lebzeiten, ein österreichisches Schicksal: Da6 Unordentliche, Nachlässige, Geistfaule unseres gegenwärtigen österreichischen Kulturlebens spiegelt trefflich die Nichtgestal-tung des Gedenktages dieses Dichter-Menschen, der uns heute erst, man vergleiche nur den Baad Der junge Wildgans“, in der ganzen Fülle seiner Anlagen und Probleme sichtbar wird. Bewegt werden wir inne: da ist kaum ein Ton, der bei den großen erfolgreichen Neutönern der Weltliteratur von heute aufklingt, der nicht in einer sehr charakteristischen Weise schon bei Wildgans vorzufinden ist. Da ist ein sozialer Humanismus, da ist die Stimme eines Gewissens, da6 sein Wort immer mehr und tiefer eingefordert weiß von Leid und Schuld de6 Mitmenschen. Da ist eine österreichische Confessio, der die Lippenbekenntnisse der Konjunkturösterreicher nichts von ihrer Echtheit und Frische rauben können. Da ist, im ganzen, ein Phänomen, das unserem Volk und unserer Jugend aufzuzeigen gewesen wäre — in einer umfassenden, planenden, ordnenden Gesamtfeiergestaltung, die nicht geleistet wurde; wahrscheinlich weil man gar nicht begriff, welche Aufgabe, welche Chance uns hier gegeben war. F. H.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung