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Anton Wildgans zum 30. Todestag am 3. Mai 1962

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„Was leuchten soll, muß dulden, daß es brennt.“ Diesen harten Satz hat sich Anton Wildgans in einem seiner späten Gedichte zum Wappenspruch genommen. Das Leuchten, in dem er heute für uns steht, hat er nicht mehr erlebt — nur das Brennen.

Schmerzhaft und schwer war da ein Ich gereift, schmerzhaft und schwer hat es seine Berufung zur Schöpfung erfüllt, hat Erlittenes gestaltet und sich um dieser Gestaltung willen ohne Zögern — ein Winkelried des kämpfenden Herzens — in die Speere des Leides geworfen, und uns hat er so aufgeschreckt aus mitleidloser Trägheit, herangerissen und aufgewühlt, und noch erschüttert er uns wie damals, wenn wir uns nun in sein Vennuchtnis versenken. Ein-Leben mtrdc hier zur Dichtung, -sein Ich verschwand dahinter, das Werk stand voran, als dessen Handwerkzeug er selbst sich sah. Dieses Werk, erweckt aus einem Urerbarmen seines Wesens mit jeder Not der zeitgebundenen todverdammten Kreatur, rang sich angestrengt aus ihm nach Form im Drama, im epischen Bekenntnis, im Gedicht. Ihm war nicht leicht berauschter Schwung verliehen, noch hymnische Verzückung, er mußte Wort um Wort aus seinem Innern brechen, und als er endlich damit ans Licht kam, und der Glanz, der seinen Büchern, seinen Stücken entströmte, auch die anderen heranrief, da meldete sich bei ihm, dem Mann des „Semper mili-tans“, eine neue Pflicht: Sie galt der Betreuung eines gleich gepriesenen wie begeiferten Erbes seines 1918 zusammengebrochenen Vaterlandes — der Dichter sollte aus dem Traum zur Tat: Anton Wildgans trat die Führerschaft des Burg-tkeaters an!

Zweimal ist der Dichter Anton Wildgans um dieser Pflicht willen von seinem Werk gewichen, ja, in einem gewisse« Sinne darf man sogar sagen, daß er daran gestorben ist. Nicht aus Ehrgeiz hat er das goldene Haus am Ring bezogen, sondern bewogen von dem Gefühle, hier eine Sendung zu haben, eine recht unbedankte, ja, für seinen siechenden Körper vielleicht tödliche Sendung, der er sich trotzdem nicht verweigern durfte. Und er war dort auch imstande, das erstemal eine kaum verschleierbare Plünderung zu verhüten und beim zweitenmal ein schon verhöhntes Ideal mit dem Gastspiel des Burgtheaters in Weimar im ganzen deutschen Sprachraum zu erneuern.

Aber diese unglückliche Liebe zum Burgtheater, die Anton Wildgans von seinem eigentlichen Werke abzog, sie war nur eine Spiegelung einer tragisch unzulänglich erwiderten größeren Liebe, der Liebe zu seiner Heimat Österreich. Und auch das ist ja für die davon Ergriffenen seit je eine verhängnisvoll einseitige Neigung geblieben; Erfinder, Philosophen, Staatsmänner und Künstler dieses Landes haben darunter gelitten oder wurden zu vergrämten Sonderlingen wie der Dichter Grillparzer. Denn die vielfältige und vieldeutige Art unserer Menschen, die vom Hosiannah zum Crucifige nur einen Schritt Zeit haben, enttäuscht immer wieder die werbende Liebe ihrer Großen, da die eben nur das Ganze dieser begnadeten Nation spüren, ihre duldsame Menschlichkeit, ihre gefühlswarme Triebhaftigkeit, ihre breite Kunstbesessenheit, „das Volk der Tänzer und der Geiger“, wie es eben der Dichter nannte, den wir heute feiern.

Gewiß: Man hat diesen Mann Anton Wildgans schon zu Lebzeiten gefeiert, und mit der rührenden Geste dumpfer Verlegenheit nahm \er jene Ehrungen entgegen, die ihm wenige Wochen vor seinem Sturz, vielleicht zugleich mit diesem, bereitet wurden. Doch genug davon. Das Werk des Dichters mag nun für ihn zeugen! Aus ihm wird auch denen, die ihn nie gekannt, sein Antlitz erscheinen. Es ist das Gesicht eines Menschen, der sich schon losgerungen hat vom Irdisch-Allgemeinen ir ehe das Schicksal diese Trennung grausam vollzog. Ein Menschenantlitz ist es, daran nichts mehr von außen reicht, nicht Verbitterung noch Verachtung haben es gezeichnet — ja, nicht einmal der Tod, der es nur zu verklären vermocht hat.

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