6700295-1963_25_15.jpg
Digital In Arbeit

Wogen und Verse

Werbung
Werbung
Werbung

Der Piaristengymnasiast Anton Wildgans hatte es nicht leicht. Zwischen dem Hochgefühl erster Burgtheaterabende und den alltäglichen Schulnöten mit Prüfungen und drohendem „Nichtgenügend“ schwankte seine Stimmung. Seine Gedanken vertraute er Schreibkalendern und „zweckentfremdeten“ Vokabelheften an. In der untersten Schublade der Dokumente aus dem Leben des Dichters fand Frau Prof. Lily Wildgans ein Jugendwerk des Fünfzehnjährigen: Die Griechentragödie „H i p p o d a m e i a“, fünfaktig, in Jamben verfaßt, in Gewandung und Form den Klassikern, namentlich Grillparzer verpflichtet, doch mehr als die übliche Pubertäts-Dramatik der Zeit und an den besten Stellen ein jünglingshafter Wurf, ein erstes Üben der Kräfte. In deT Josefstadt brandeten die Wogen der Ägeis, zwischen Formeln und Lateinaufgaben stiegen hehre Gestalten aus dem alten Hellas empor, entbrannten in Liebe, verstrickten sich in Schuld...

Veit R e 1 i n nahm die Chance wahr, die Reihe seiner Premieren um eine Wild-gans-,,Uraufführung“ zu bereichern und den Freunden österreichischer Dichtung als Festwocheninszenierung des Atelier-Theaters eine literarische Besonderheit zu bieten. Von der Regie, die sich etwas unkonsequent freilich auf einen parodistischen, moritatenhaften Ton festzulegen suchte, hätte man sich mehr Farbe in der sprachlichen Führung, mehr bewußt gespieltes Komödiantenpathos gewünscht. Der angestrebten Verfremdung kam das originelle Bühnenbild von Jean Veenenbos am nächsten, „Toni“ suchte das Land der Griechen ja mit der Seele und nicht im historischen Bilderatlas. Aus der burgtheatermäßig langen Personenliste seien die bemühten Haupt-darsteiler Christine Merthan, Hannes Herret, Kurt Jäger und Michael Gert genannt. Sehr geschickt als Geräuschkulisse eingesetzt: Musik von Paul Angerer, rollende, dröhnende Klavierläufe, wie man sie vielleicht in der' Josefstätfter Bötger-wohnung aus dem Nebenhaus hörte. Waä wohl der Dichter selbst dazu gesagt hätte, daß sein vergessenes literarisches „Bubenstück“ zu späten Ehren kam? Seine Verehrer jedenfalls nahmen „Hippodameia“ als das, was es ist: ein kleines szenisches Lebensdokument aus jener Zeit, als noch nicht die Bretter der Bühne sondern das schwarze Geviert der Schultafel für Wildgans die Welt bedeutete —

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung