Attentat auf schwangere Madonna

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Peter Henischs neuer Roman wehrt sich mit den Mitteln romantischer Ironie gegen die Profanisierung der Welt und erzählt eine spannende Italien-Geschichte.

Italien, seit Goethe das Sehnsuchtsland deutschsprachiger Schriftsteller, ist noch immer ein produktiver Literatur-Generator - in diesem Herbst zu sehen an den Romanen "Selina oder Das andere Leben" von Walter Kappacher und "Die schwangere Madonna" von Peter Henisch. Darin gerät der Radiojournalist Josef Urban in eine Krise - er hat ein Feature über Alzheimer gemacht und weiß nicht mehr, wo er das Sendeband verlegt hat; da sieht er am Parkplatz ein Auto, an dem der Schlüssel steckt. Einem spontanen Impuls folgend steigt er ein und fährt los - Richtung Italien.

Abhauen - vor allem aus Österreich - und Unterwegssein: Das liegt den Romanfiguren von Peter Henisch im Blut. In "Schwarzer Peter" kommt ein Wiener auf der Suche nach seiner Identität und seinen Wurzeln nach New Orleans, in "Der Wunsch, Indianer zu werden", gelangt Franz Kafka auf einem Schiff nach Amerika. Auch durch viele Gedichte von Peter Henisch geht die Bewegung des Reisens.

Josef Urban ist nicht allein unterwegs nach Italien. Auf dem Rücksitz des Autos entdeckt er eine Begleiterin: Maria, die achtzehnjährige Gymnasiastin und Geliebte ihres Religionslehrers, dem der Wagen gehört. Annäherungen und Missverständnisse zwischen den beiden, die aufgrund ihres Altersunterschiedes aus völlig anderen Gewohnheiten und lebenskulturellen Selbstverständlichkeiten kommen, werden, auf prägnante Szenen verknappt, mit großer Genauigkeit und Ironie geschildert. Josef Urban muss sein Begehren immer wieder zurückstellen - Marias Schwangerschaft appelliert an sein Verantwortungsgefühl. Nolens volens wird er in die Rolle des biblischen Josef gedrängt. Seine erotischen Wünsche und wie er sie immer wieder schmerzlich sublimiert, gerade das hält den Roman auf fesselnde Weise in Gang.

Ausleben konnte diese Sehnsüchte hingegen Wolf, Marias Religionslehrer und Geliebter. Die tragischkomische Begegnung von Wolf und Josef ist einer der Höhepunkte des Buches.

Maria entkommt ihnen beiden. Für Josef, der sie schmerzlich sucht und vermisst, verschmelzen ihre Züge immer mehr mit der "Madonna del parto", einer sehr außergewöhnlichen Darstellung der schwangeren Madonna von Piero della Francesca, die er in Monterchi sieht. Vor ihrem Bild lässt er sich über Nacht einsperren - und kommt dafür ins Gefängnis, weil man ihn verdächtigt, er hätte ein Attentat auf das Gemälde verüben wollen.

Die Madonna ist in diesem Roman ein Fokus für viele religiöse Anspielungen. Josef hat, wie er einmal sagt, gelegentlich eine Art "Glauben aus dem Bauch", eine unorthodoxe Religiosität, die auch ein Widerstandspotenzial darstellt gegen die allgegenwärtige Dominanz der Wirtschaft - eine Perspektive, die auch Peter Henisch nicht fremd ist.

"Was die totale Profanisierung der Welt betrifft, so ist sie empörend, dagegen müssen wir uns wehren, sagte Peter Henisch in einem Interview in der letzten Nummer der Zeitschrift Volltext.

Im Roman "Die schwangere Madonna" ist ein feiner Teppich von Anspielungen geknüpft. Wenn Josef und Maria in Venedig unter dem Gemälde der Jäger und Nymphen liegen, lassen "Die verzauberten Jäger" aus Nabokovs "Lolita" grüßen. Eine Friseurszene ist Thomas Manns "Tod in Venedig" nachgestellt. Patricia Highsmith oder Hemingway sind ebenfalls einmontiert. In Henischs neuem Roman spukt auch die Romantik - und er ist zugleich ein sehr modernes Roadmovie, dessen rasante Handlung auch ohne Kenntnis der Anspielungen fasziniert. Dabei ist Peter Henischs Erzählen detailversessen, ohne sich je in diesen Details zu verlieren: Die Topografie ist ebenso genau recherchiert wie die sms-Sprache von Schülern authentisch ist. In der langen Reihe literarischer Italien-Reminiszenzen hat "Die schwangere Madonna" ihren unverwechselbaren Platz - gerade weil sie damit ihr genau kalkuliertes Spiel treibt.

Die schwangere Madonna

Roman von Peter Henisch

Residenz Verlag, St. Pölten-Salzburg 2005, 345 Seiten, geb., e 23,50

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