Das Chaos braucht doch Regeln

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist noch keine zwei Jahre her, da jubelte auch In medias res über die Kreativität im Internet: "Bestechend wie sehr die Möglichkeit zum Chaos hier zu großer Effizienz führt." Was uns da bestach war die freie Internet-Enzyklopädie Wikipedia, an der jeder Internet-Nutzer mitschreiben kann. So viele User würden das tun, dass, auch wenn man Unsinn in einen einzelnen Lexikonartikel hineinschreibe, das durch die Korrekturen anderer User wieder hinausexpediert würde. Ein Beweis für die Selbstorganisationsfähigkeit nach einer Art Chaostheorie? Wir dachten: Ja.

Doch haben wir uns über solch Schlaraffenland der Information doch zu früh gefreut? Jedenfalls ist Wikipedia dieser Tage ins Gerede gekommen: So fand der 78-jährige us-Politikberater John Seigenthaler im Wikipedia-Artikel zu seinem Namen monatelang die Behauptung verzeichnet, er sei in den Mord an Robert Kennedy verstrickt - und dieser Unsinn wurde durch das sich selbst organisierende Chaos keineswegs gelöscht.

Das Ganze löste bei den Wikipedia-Leuten Entsetzen aus, sodass sie - vorerst für die englischsprachige Version - die Zugangsregeln änderten: Neue Artikel oder Änderungen an alten sollen künftighin nur nach einer Registrierung des Autors möglich sein und nicht mehr - wie bislang - anonym.

Mittlerweile konnte die New York Times aufdecken, dass ein "Spaßvogel" aus Tennessee hinter dem schlechten Scherz an Seigenthaler steckte: Der Mann hatte es offenbar geschafft, Wikipedia auszutricksen und die angeblichen Selbstreinigungskräfte lahmzulegen.

War wohl zu schön, um wahr zu sein: Das freie Spiel der Kräfte funktioniert offenbar nicht bloß auf dem Markt nur bedingt. Auch auf dem Info-Highway sind Regeln nötig, um das System vor "Spaßvögeln" zu schützen. Wir hoffen aber immer noch, dass diese Regeln nicht allzu restriktiv ausfallen müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung