Der lange Weg zu Silicon Alps

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Das Land hat Chancen, sich als global konkurrenzfähige Region in der Informationstechnologie zu positionieren - wenn sich die Politik heraushält.

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Das Land hat Chancen, sich als global konkurrenzfähige Region in der Informationstechnologie zu positionieren - wenn sich die Politik heraushält.

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Immer wenn Robert Gattereder aus Amerika zurückkehrt, ist er voll motiviert. "Die Preise in der Semiconductor- (Halbleiter-; Anm.) Industrie steigen wieder. Alle reden vom Hot-spot Europa", ist Gattereder von seiner Sache überzeugt. Die Motivation von außen kann der Geschäftsführer des TLK (Technologieland Kärnten), offizieller Motor und Beauftragter der Initiative "Silicon Alps", gut brauchen, denn im Land Kärnten geht sie manchmal ab. Die jüngsten Ausritte der Freiheitlichen gegen die Initiative, Kärnten als global konkurrenzfähige Region in der Informationstechnologie zu positionieren ("Silicon Alps"), zeigen deutlich, daß - trotz Beteuerungen - nicht einmal ein für das Land und seine Bewohner so zukunftsbestimmendes Thema aus dem vorwahlkämpferischen Parteiengeplänkel herausgehalten werden kann.

Es ist wohl so etwas wie ein Kärntner Schicksal, daß man die Kärntner Technologieoffensive unter Fachleuten im Ausland mehr schätzt, als im Land selbst. So wurde Silicon Alps neben Silicon Glen in Schottland und dem Halbleiterzentrum Dresden kürzlich bei einer Semiconductor-Tagung in Taiwan als Beispiel für eine gelungene High-Tech-Entwicklung dargestellt. Die Werbetrommel rührten nicht etwa die Kärntner, sondern der Präsident von Meissner & Wurst, Jürgen Giessmann, persönlich, der für die Errichtung von Halbleiterfabriken in der deutschen Jenoptik-Gruppe zuständig ist. "Technologie, Lebensqualität, Kunst und Kultur - das ist eine Symbiose, die man sonst nirgendwo findet", erweist sich Giessmann als wichtiger Silicon-Alps-Botschafter. Auch die Fachzeitungen der Semiconductor-Branche finden lobende und ausführliche Worte über die junge Kärntner High-Tech-Initiative.

Nur der Wirtschaftsreferent des Landes, Matthias Reichhold (FPÖ), sieht Silicon Alps bereits als "Luftblase". Noch vor einem halben Jahr sagte Reichhold bei der ersten Silicon-Alps-Konferenz: "Ich bin begeistert von dieser Idee. Es darf keinen Versuch einer Partei geben, dieses wichtige Thema in politischem Gezänk untergehen zu lassen." Nicht nur das mangelnde Kurzzeitgedächtnis, auch die Ungeduld des Wirtschaftspolitikers ist beachtlich, ist doch die High-Tech-Initiative erst knapp ein Jahr auf dem Weg. Experten sprechen bei einem solchen Vorhaben aber von zehn bis 15 Jahren. "Silicon Alps ist ein Marathon, kein Sprint", warnen die Experten vor allzu ehrgeizigen Erwartungen.

So lange hat in etwa auch Austin (Silicon Hills) in Texas gebraucht, um zu einem der anerkanntesten High-Tech-Zentren Amerikas aufzusteigen. Dieses Elektronik-Wunder in der texanischen Kleinstadt mit hoher Lebensqualität, in der sich von Motorola, Jenoptik bis Samsung alles was in der Halbleitertechnologie Rang und Namen hat, niedergelassen hat, sah sich im Vorjahr eine Kärntner Delegation an und war überzeugt: "Kärnten hat ähnliche Voraussetzungen." Von dort kommen auch die Berater, Angelou Economic Advisors, die in Texas und Oregon am Aufbau der Halbleiterzentren beteiligt waren. Binnen zehn Jahren wurden in Austin 275 Unternehmen mit 200.000 Mitarbeitern angesiedelt. Kärnten ist für den Griechen Angelos Angelou und seinen Partner John Roberts das erste Referenzprojekt in Europa, entsprechend ehrgeizig sind die Pläne der beiden.

Viele Optionen bleiben dem Land, das mit seiner Wirtschaftskraft im abgeschlagenen Feld dahindümpelt, nicht mehr. Der Tourismus befindet sich seit Jahren auf dem absteigenden Ast, und auch die traditionelle Industrie ist nicht mehr imstande, langfristig Arbeit zu sichern. Darum setzt man alle Hoffnungen auf jene Branche, der Experten ein jährliches Wachstum von 15 bis 20 Prozent voraussagen und die trotz momentaner Wellentäler zur größten Wachstumsbranche der Welt gehört. Die Halbleiterproduktion wird weltweit von derzeit 146 Milliarden Dollar auf 311 Milliarden Dollar im Jahr 2001 steigen. Auch für junge, gut ausgebildete Menschen tun sich damit ideale Chancen auf. Weltweit werden 80.000 Elektroniker und Informatiker gesucht. Wo solcherart ausgebildete Arbeitskräfte verfügbar sind, dort werden sich auch High-Tech-Firmen ansiedeln. Die Chip-Preise sind in den letzten zwei Jahren weltweit zwar drastisch gesunken - Siemens machte dadurch einen Verlust von 8,3 Milliarden Schilling -, doch auch darin sehen die Experten Chancen. "Wenn Chips zum Okkasionspreis zu haben sind, wird sich die ganze Welt neue Anwendungsmöglichkeiten einfallen lassen", ist Walter Roessger, Vizepräsident von Semi-Europe, überzeugt.

"Es wäre unrealistisch, bei Null anzufangen, aber Kärnten hat bereits wichtige Voraussetzungen", sagt John Roberts. Alle Halbleiter-Zentren, wie Silicon Wood (Portland/Oregon) oder Silicon Valley (Kalifornien), weisen ähnliche Voraussetzungen auf: hohe Lebensqualität, ausbaufähige Bildungseinrichtungen und kreative Arbeitskräfte. Allerdings stand dort die Politik geschlossen hinter dem High-Tech-Vorhaben.

Schon jetzt ist in Kärnten ein natürlich gewachsener Schwerpunkt Elektronik vorhanden. Mit fast 5.000 Arbeitskräften (2.000 bei Siemens) weist diese Branche nicht nur die meisten Beschäftigten aller Industriebetriebe auf, sie hat auch den größten Produktionswert und die höchste Exportquote in Kärnten.

Mit dem Siemens-Entwicklungszentrum für Elektronik - ein Kompetenzzentrum für Leistungshalbleiter - und der Forschungseinrichtung CTR (Carinthian Tech Research), den beiden Fachhochschulen für Telematik und Elektronik, sowie dem Institut für Informatik an der Universität Klagenfurt sind auch die Voraussetzungen für Forschung und Ausbildung auf dem richtigen Weg. Rund um Siemens haben sich bereits eine Reihe interessanter Zulieferfirmen etabliert, und im Technologiepark in Klagenfurt sind es vor allem kleine aber feine Software-Firmen, die sich unter dem Überbegriff "Silicon Alps" scharen. Sie alle haben noch ein gemeinsames Problem: zu wenig verfügbares Risikokapital und zu wenig auf ihre Bedürfnisse ausgebildete Arbeitskräfte. Aber die meisten von ihnen sind froh, mit Silicon Alps einen Motor für einen Elektronik-Cluster vorzufinden, der sich vielleicht irgendwann von der Steiermark über Kärnten nach Friaul und Slowenien ziehen wird.

"Wir haben Silicon Alps bereits verinnerlicht", sagte kürzlich der Leiter des Arbeitsmarktservice, Josef Sibitz, bei einer Pressekonferenz. Das bedeutet, daß für die softwaregerechte Ausbildung heuer zehn Millionen Schilling im AMS-Budget reserviert wurden. Die 20 Millionen Schilling, die Gattereder für Silicon Alps zur Verfügung hat, sind zwar keine Riesensumme - wenn man vergleicht, was Standorte wie Schottland und England aufwenden -, doch lassen sich damit effiziente Auftritte im Ausland organisieren. Erstmals wird sich die Initiative gemeinsam mit Kärntner High-Tech-Firmen auf der Münchner "Semicon" präsentieren.

Das große Ziel heißt nicht etwa Ansiedlung von Halbleiterfabs (eine Halbleiterfabrik kostet zwei bis fünf Milliarden Dollar, außerdem sind weltweit noch immer Überkapazitäten vorhanden), sondern Aufbau einer leistungsfähigen und kostengünstigen Zuliefer- und Softwareindustrie sowie viele kleine Think-Tanks für Chip-Design. Die Ansiedlung von Zulieferfirmen im High-Tech-Bereich sei realistisch: "Seit der asiatische Markt weggebrochen ist, wird Europa in Amerika als Brillant der Zukunft dargestellt. Dazu kommt der Euro und die großen Erfolge im Telecom- und Automotive-Bereich", konstatiert Gattereder große Aufmerksamkeit für den alten Kontinent. Einige Interessenten hat Gattereder bereits im Köcher.

Wie sehr dabei unqualifizierte Aussagen, wie jene von FP-Klubobmann Strutz ("Ich würde für Silicon Alps keinen Groschen aufwenden. Die Initiative ist gescheitert"), dem Land schaden, zeigt die Reaktion von Firmenchefs, mit denen seit Monaten wegen einer Ansiedlung verhandelt wird: Sie legen die Gespräche vorderhand auf Eis. Zumindest bis zum 8. März, dem Tag nach der Wahl.

Die Autorin ist Wirtschaftsredakteurin der "Kleinen Zeitung" Klagenfurt.

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