Medienhaus und Kunsthaus

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Das "ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe" ist ein wegweisendes Projekt - und einen Besuch wert.

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Das "ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe" ist ein wegweisendes Projekt - und einen Besuch wert.

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Die Idee geht auf das Jahr 1985 zurück, als Kommunalpolitiker, Vertreter von Universität und Akademie der Bildenden Künste und anderer Karlsruher Institutionen die Errichtung eines Forschungs- und Entwicklungzentrums zwischen Kunst und neuen Medien beschlossen. Damals waren "Multimedia", "Internet" oder "virtuell" unbekannte Begriffe und Video-, Computerkunst oder interaktive Installationen nur wenigen vertraut. Gerade deswegen sollte dieses Zentrum sich mit der gegenseitigen Beeinflussung von zeitgenössischer Kunst und neuen Medien beschäftigen.

Das 850-Millionen-Schilling-Projekt wurde 1988 trotz kritischer Stimmen und verbreiteter Technologieskepsis beschlossen, 1989 Heinrich Klotz als Gründungsdirektor berufen. Ans ZKM angeschlossen wurde die 1991 gegründete Hochschule für Gestaltung, die als erste Kunsthochschule den Ausbildungsgang Medienkünste in den Vordergrund stellt.

Aus Kostengründen mußte das Siegerprojekt eines Wettbewerbs für den ZKM-Neubau verworfen werden, die Adaptierung einer im städtischen Besitz befindlichen denkmalgeschützten ehemaligen Munitionsfabrik wurde 1992 als Alternative gewählt. Dadurch verfügt das ZKM über eine Nutzfläche von 40.000 Quadratmetern, gleichzeitig konnte der historische Industriebau aus dem Jahr 1918 einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden. Der im Südwesten der Stadt inmitten von Kleingewerbebetrieben und Schrebergärten liegende Museumsbau bildet zusätzlich einen neuen städtebaulichen Akzent.

Der zu den frühesten Betonskelettbauten zählende Komplex ist 312 Meter lang, 52 Meter breit und durch zehn geräumige Lichthöfe gegliedert, trotz seiner Monumentalität wirkt er leicht und transparent, da es dem für den Umbau verantwortlichen Hamburger Architekturbüro gelang, den Charakter des Baus mit seinen Skelettstützen und offenen Treppenanlagen zu bewahren. Und es wurde jene Werkstattatmosphäre und räumliche Flexibilität zur Verfügung gestellt, die für die beiden Museen - Medienmuseum und Museum für Neue Kunst - einerseits, und für Medientheater, Musikstudio, für Vortragsräume, Museumsshop samt Restaurant und die beiden nicht öffentlich zugänglichen Institute für Bildmedien und für Musik und Akustik - also die Produktions- und Forschungsstätten im eigentlichen Sinn - notwendig sind.

Als Pionierschritt gilt die Einrichtung des Medienmuseums, in dem Besucher nicht nur mit Werken der Medienkunst-Avantgarde konfrontiert werden, sondern selbst Erfahrungen mit Computerspielen, Video, Cyberspace, Laserprojektionen, Holografie oder elektronischer Akustik machen können.

Ernst und ironisch So etwa läßt die Installation "The Legible City" von Jeffrey Shaw den Betrachter auf einem Standfahrrad durch eine simulierte Stadt fahren, deren Gebäude aus riesigen computergenerierten Buchstaben bestehen, die sich zu einem auf diese Stadt bezogenen Text formen. In "Portrait no.1" lädt Luc Courchesne zum Gespräch mit einer jungen Frau auf dem Bildschirm ein, der Betrachter kann die Fragen oder Themen und die jeweilige Sprache wählen.

Im "Interactive Plant Growing" von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau berührt der Besucher Blätter realer Pflanzen und löst damit das Wachstum von computergenerierten virtuellen Pflanzen aus. Der Impuls entsteht durch das Spannungsgefälle zwischen der Oberfläche der Pflanzen und der Hautoberfläche des Berührenden.

Der Koreaner Nam June Paik, einer der Pioniere der Videokunst, hat in seinem "TV Story Board" koreanische Schriftzeichen mit piktogrammartigen Augen, Mündern, Gesichtern auf Monitoren angeordnet, die gemeinsam einen Großbildschirm formen und damit gleichzeitig das Medium ironisieren. Seine Videoskulptur "Passage" besteht aus alten Fernsehgehäusen, die einen Torbogen bilden und über deren Bildschirme unidentifizierbare Videosequenzen flimmern.

Fabrizio Plessis "Tempo Liquido" besteht aus einem fünf Meter hohen stählernen Mühlenrad, auf dessen Schaufeln Monitore befestigt sind, die herabstürzende Wasser zeigen. Das sich drehende Mühlrad taucht mit den Monitoren in reales Wasser ein, das in einer Rinne fließt.

Die ungewohnte neue Bilderwelt verblüfft. Sich auf sie einzulassen erfordert ein wenig Mühe - oder weckt verlorengeglaubte Reste des Spieltriebs.

ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie D-76135 Karlsruhe, Lorenzstraße 19, Tel. 0049-721-8100-0. Öffnungszeiten der Museen: Mittwoch bis Samstag, 12 bis 20 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr.

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