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Das digitale Zeitalter ist angebrochen. Wie kann die neue Technik helfen, alte Film-und Tondokumente vor dem Verfall zu retten?

Der Alltag ist geprägt von Bildern, Tönen und Filmen. Längst sind diese audivisuellen Medien (AV-Medien) zu einem integralen Bestandteil der Gesellschaft geworden. Kleine private Sammlungen mit vergilbten Fotos aus der Kindheit, wackelnden Urlaubsvideos und schnarrenden Schallplatten gehören ebenso dazu wie offizielle Bild-und Tondokumente eines Staates. Doch an allem nagt der Zahn der Zeit, das Material verfällt und irgendwann wird nichts mehr davon übrig sein.

Kulturelles Gedächtnis

"Die Situation ist dramatisch. Auf Dauer lassen sich AV-Medien nur durch Digitalisierung bewahren. Das ist aufwendig und kostet Geld", erklärte Rainer Hubert von der Österreichischen Mediathek kürzlich bei einer Veranstaltung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Medienarchive Austria (maa) in Wien. Diese setzen sich als Zusammenschluss österreichischer AV-Archive dafür ein, öffentliche Kulturgüter zu sammeln und für die Zukunft zu bewahren. Wie wichtig das für die Gesellschaft ist, betonte der Historiker Gerhard Jagschitz: "Archivare sind Hüter der Geschichte, sie bestimmen unser Geschichtsbewusstsein. Es ist nicht selbstverständlich, die alten Dokumente aufzubewahren, aber sie erweitern und bereichern das Haus des Menschen."

Digitalisierung scheint also der Schlüssel zu sein, um dieses kulturelle und nationale Gedächtnis vor dem Verfall zu schützen. Denn zur begrenzten Haltbarkeitsdauer des analogen AV-Materials - höchstens 50 bis 60 Jahre - kommt die rasante technische Entwicklung, die zur Folge hat, dass Abspielgeräte nicht mehr verfügbar sind.

Vom Regen in die Traufe

Dietrich Schüller vom Phonogrammarchiv ist einer der Pioniere der Digitalisierung, schon in den 80er Jahren propagierte er die damals noch in den Kinderschuhen steckende Technik. "Wir können die besten Bänder nicht spielen, weil wir die Maschinen nicht mehr haben. Was man nicht von den Originalen runterholt, bleibt drauf und verrottet. Das Zeitfenster, um die AV-Bestände in den sicheren digitalen Hafen zu überführen, ist allerdings begrenzt", warnte er. Was als einfache und vor allem benutzerfreundliche Lösung klingt - man denke an die bequeme Nutzung digitaler Bibliotheken - könnte sich aber als tragischer Irrweg erweisen. "Durch die Digitalisierung kommen wir vom Regen in die Traufe", analysierte Hubert. Wer nämlich glaube, eine CD-ROM sei ewig haltbar, irrt - sie ist eines der unsichersten Trägermedien überhaupt. Das bestätigte auch Schüller: "Ein digitales File erhält sich nicht von selbst wie eine mittelalterliche Inkunabel, die man streichelt und abstaubt. Digitales Material kann nur überleben, wenn es permanent gewartet wird, indem immer wieder Umkopierungen vorgenommen werden." Diese Wartung erfordere einen enormen Finanzbedarf, der nur durch verstärkte Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand sowie durch den Ausbau einer gesamteuropäischen Infrastruktur zur Bewahrung der Kulturgüter gedeckt werden könne. Ein lobenswertes Vorbild sei die Niederländische Regierung - sie will rund 173 Millionen Euro in die Digitalisierung und Bewahrung der audivisuellen Datenträger investieren.

"Born digital"

In der Übergangsphase zur Digitalisierung überschneiden sich alte und neuen Techniken und werden wohl noch länger nebeneinander bestehen. Im Archiv des ORF, das wertvolle Filmbestände aus 50 Jahren Fernsehgeschichte abdeckt, läuft seit drei Jahren ein Sicherungsprojekt, bei dem aus jedem analogen Material durch Kopieren drei digitale "Töchter" entstehen - zwei DVD's, eine online preview-Version und ein digitales Mastertape. Diese Dreifachsicherung verdeutlicht, wie komplex sich die Situation derzeit noch gestaltet. Allein die ZIB wird bereits seit fünf Jahren trägerlos, also digital, produziert - "born digital" heißt es in der Fachsprache - und danach auf Digitalbändern archiviert.

Ohne eine stärkere Finanzierung von außen wird die vollständige Digitalisierung der AV-Medien aber nicht funktionieren. Rainer Hubert appelliert an die Politik: "Tut's endlich was!"

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